Überholverbot außer Kraft: Linksabbiegender haftet nach Kollision mit Einsatzfahrzeug unter Vollalarm
Blaulicht und Sirene bedeuten Vollalarm und setzen die Rücksicht aller anderen Verkehrsteilnehmer voraus. Denn sie signalisieren, dass die sogenannte Wege- und Sonderrechte in Anspruch genommen werden. Wer sich weder an das signalisierte "Platz da, Menschen in Not" hält noch alle dazu notwendigen Vorsichtsmaßnahmen einhält, um weitere Gefahren abzuwenden, zieht im Schadensfall den Kürzeren. Das hat auch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) so bewerten müssen.
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Blaulicht und Sirene bedeuten Vollalarm und setzen die Rücksicht aller anderen Verkehrsteilnehmer voraus. Denn sie signalisieren, dass die sogenannte Wege- und Sonderrechte in Anspruch genommen werden. Wer sich weder an das signalisierte "Platz da, Menschen in Not" hält noch alle dazu notwendigen Vorsichtsmaßnahmen einhält, um weitere Gefahren abzuwenden, zieht im Schadensfall den Kürzeren. Das hat auch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) so bewerten müssen.
Eine Frau war mit ihrem Auto auf einer Straße unterwegs, auf der ein Überholverbot galt. Sie verließ sich auf diese Beschilderung und wollte links in eine Tankstelleneinfahrt einbiegen. In genau diesem Moment wurde sie von einem Einsatzfahrzeug einer Hundestaffel überholt, das unter sogenanntem Vollalarm auf dem Weg zu einer Bombenentschärfung war. Dennoch knallte es, aber nun wegen der erfolgten Kollision der beiden Fahrzeuge. Die Autofahrerin war jetzt erwartungsgemäß der Ansicht, dass sie sich auf das Überholverbot habe verlassen dürfen, und forderte Schadensersatz. Ebenso zu erwarten war die Replik der Versicherung; die nämlich verweigerte die geforderte Zahlung unter Hinweis auf die Sonderrechte des Einsatzfahrzeugs.
Das OLG wies die Klage ab. Zum einen spreche der Beweis des ersten Anscheins regelmäßig für ein Verschulden der Linksabbiegerin, wenn es zu einer Kollision kommt. Dieser Beweis war hier auch nicht durch das geltende Überholverbot erschüttert, denn die Frau hätte den Schulterblick machen müssen. Und natürlich waren dem Einsatzfahrzeug Sonderrechte eingeräumt, so dass es berechtigt war, gegen das Überholverbot zu verstoßen. Es war somit von einem alleinigen Verschulden der Autofahrerin auszugehen.
Hinweis: Das Einsatzfahrzeug war wegen der Alarmierung auf berechtigter Einsatzfahrt gewesen und daher von den Regeln der Straßenverkehrsordnung - insbesondere dem Überholverbot - befreit. Bei einer Einsatzfahrt dürften Fahrer grundsätzlich davon ausgehen, dass wegen der gebotenen Eile Sonderrechte in Anspruch genommen werden dürfen und diese auch beachtet werden.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 06.06.2025 - 7 U 87/24(aus: Ausgabe 12/2025)
Betriebsschaden: Ohne äußeren Einfluss geplatzter Reifen ist kein versicherter Unfall in der Vollkaskoversicherung
Wozu hat man denn eine Vollkasko, wenn ein geplatzter Reifen nicht zu den versicherten Schäden gehört? Die Antwort auf diese erst einmal logisch erscheinende Entrüstung hatte das Oberlandesgericht Dresden (OLG), und die Logik ebendieser Antwort war nicht von der Hand zu weisen. Lesen Sie selbst.
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Wozu hat man denn eine Vollkasko, wenn ein geplatzter Reifen nicht zu den versicherten Schäden gehört? Die Antwort auf diese erst einmal logisch erscheinende Entrüstung hatte das Oberlandesgericht Dresden (OLG), und die Logik ebendieser Antwort war nicht von der Hand zu weisen. Lesen Sie selbst.
Der hier klagende Autofahrer war mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn unterwegs, als ein Reifen platzte. Der Wagen verunfallte schwer. Als der Fahrzeughalter den Schaden bei seiner Vollkaskoversicherung geltend machte, verweigerte diese die Zahlung. Nach den Versicherungsbedingungen sei schließlich nur ein Unfallereignis versichert - hier aber sei lediglich ein vorgeschädigter Reifen geplatzt, nach den vorliegenden Informationen ohne äußerlichen mechanischen Einfluss. Daher handelte es sich auch nicht um ein versichertes Ereignis.
Das OLG gab der Versicherung recht. Nach den Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen konnte nicht bewiesen werden, dass der Kläger einen auf der Fahrbahn liegenden Gegenstand überfahren hatte, bevor der Reifen platzte. Es war ebenso möglich, dass schon das Überfahren einer Fahrbahnunebenheit, mit der im normalen Fahrbetrieb zu rechnen ist - wie eine Dehnungsfuge oder eine Bodenwelle -, das Platzen des vorgeschädigten Reifens herbeigeführt habe. Der Sachverständige konnte im Ergebnis nicht feststellen, dass die Ursache für den Schaden das Überfahren eines Gegenstands oder eine Fahrbahnunebenheit war. Dies geht zu Lasten des beweisbelasteten Klägers, denn das Überfahren einer Fahrbahnunebenheit ist kein von außen einwirkendes Ereignis. Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, sind Betriebsschäden und nicht versichert. Die Versicherung hat daher zu Recht die Zahlung verweigert.
Hinweis: Für die Annahme eines Unfalls ist eine Einwirkung "von außen" notwendig und dass der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug wirkende mechanische Gewalt ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst ist.
Quelle: OLG Dresden, Beschl. v. 11.06.2025 - 4 U 88/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Bolzen ohne Sicherungsstift: Bringt ein Montagefehler einen Drehkran zu Fall, haften alle Beteiligten gemeinsam
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) befasste sich mit einem schweren Unfall. Ein Turmdrehkran stürzte während der Bauarbeiten um und fiel auf einen benachbarten Supermarkt. Dort verletzte er zwei Menschen und kostete einem Kind das Leben. Dass ein solcher Kran nicht nur von einem Paar Hände montiert und kontrolliert wird, hatte zur Folge, dass das Gericht über die Verantwortung aller Beteiligten und somit deren Haftungsverteilung zu befinden hatte.
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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) befasste sich mit einem schweren Unfall. Ein Turmdrehkran stürzte während der Bauarbeiten um und fiel auf einen benachbarten Supermarkt. Dort verletzte er zwei Menschen und kostete einem Kind das Leben. Dass ein solcher Kran nicht nur von einem Paar Hände montiert und kontrolliert wird, hatte zur Folge, dass das Gericht über die Verantwortung aller Beteiligten und somit deren Haftungsverteilung zu befinden hatte.
Die Verletzten verlangten Schmerzensgeld und Ersatz der materiellen Schäden. Darauf verklagt wurden schließlich die Eigentümerin des Krans, die mit dem Aufbau beauftragte GmbH, ihr Geschäftsführer sowie ein weiterer Prüfsachverständiger. Das Landgericht gab den Forderungen weitgehend statt.
Das OLG bestätigte diese Entscheidung - mit Ausnahme des Prüfsachverständigen, der nicht haften musste. Nach Feststellungen des Gerichts war der Kran nicht korrekt montiert worden. Am entscheidenden Bolzen fehlte ein notwendiger Sicherungsstift, wodurch der Kran instabil wurde und schließlich umstürzte. Dieser Montagefehler war nach Überzeugung der Sachverständigen die alleinige Unfallursache. Die Eigentümerin des Krans musste sich das fehlerhafte Handeln der beauftragten Firma zurechnen lassen. Auch die GmbH und ihr Geschäftsführer hafteten, weil sie beim Aufbau gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen hatten. Sie hätten dafür sorgen müssen, dass die Montage gefahrlos durchgeführt wird und Dritte nicht gefährdet werden. Der hinzugezogene Sachverständige, der den Kran regelmäßig überprüfte, wurde jedoch entlastet. Sein Prüfauftrag diente nur der Kontrolle nach Unfallverhütungsvorschriften und schützte keine zufällig betroffenen Personen auf Nachbargrundstücken.
Hinweis: Wer einen Kran aufstellt oder montiert, trägt große Verantwortung. Fehler beim Aufbau können nicht nur Sach-, sondern auch Personenschäden verursachen und führen zur Haftung aller Beteiligten.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.09.2025 - 29 U 50/24(aus: Ausgabe 12/2025)
Finger weg! Benutzung des Touchdisplay einer E-Zigarette fällt auch unter das "Handyverbot"
Was einst als "Handyverbot" gestartet ist, umfasst mittlerweile immer mehr Geräte, die am Steuer um unsere Aufmerksamkeit ringen. Und man darf gewiss sein, dass sich künftig noch mehr technische "Helferlein" um unser Interesse reißen werden. Deshalb gilt prinzipiell: Hände ans Lenkrad, Blick und Konzentration auf die Fahrsituation! Sonst findet man sich vor Gericht wieder, so wie in diesem Fall vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG).
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Was einst als "Handyverbot" gestartet ist, umfasst mittlerweile immer mehr Geräte, die am Steuer um unsere Aufmerksamkeit ringen. Und man darf gewiss sein, dass sich künftig noch mehr technische "Helferlein" um unser Interesse reißen werden. Deshalb gilt prinzipiell: Hände ans Lenkrad, Blick und Konzentration auf die Fahrsituation! Sonst findet man sich vor Gericht wieder, so wie in diesem Fall vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG).
Ein Mann war im März 2024 auf einer Autobahn von zwei Polizeibeamten dabei beobachtet worden, wie er am Steuer seines fahrenden Autos Tippbewegungen auf einem Gerät vornahm. Die Beamten gingen dabei von der naheliegenden Nutzung eines Mobiltelefons aus. Die Stadt Siegburg verhängte gegen den Autofahrer deshalb eine Geldbuße über 150 EUR. Der Einspruch des Betroffenen hatte vor dem Siegburger Amtsgericht im Ergebnis keinen Erfolg. In der Beweisaufnahme stellte sich aber heraus, dass der Autofahrer kein Handy benutzt, sondern den Stärkegrad seiner E-Zigarette auf deren Touchdisplay geändert hatte.
Die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde des Autofahrers hatte in der Sache dennoch keinen Erfolg. Das Tippen auf dem Touchdisplay einer E-Zigarette zur Veränderung ihres Stärkegrads verstößt ebenfalls gegen das Verbot der Nutzung elektronischer Geräte durch Fahrzeugführende. Eine E-Zigarette mit Touchdisplay ist ein Gerät mit "Berührungsbildschirm" im Sinne der einschlägigen Vorschrift, die das sogenannte Handyverbot regelt. Zudem hält eine E-Zigarette auch weitere Informationen bereit, sobald die veränderte Dampfstärke auf einem Touchdisplay angezeigt wird. Zwar bestehe der Zweck einer E-Zigarette in erster Linie in der Produktion von Dämpfen zum Einatmen. Die Regelung der Dampfstärke über ein Touchdisplay stelle aber eine Hilfsfunktion dar, die ihre Hauptfunktion unterstützt. Ihre Bedienung begründe auch ein erhebliches Ablenkungspotential für den Fahrzeugführer, das sich nicht von der Veränderung der Lautstärke eines Mobiltelefons unterscheidet. Daher liegt in der Einstellung der Dampfstärke über das Touchdisplay ein verbotswidriges Benutzen.
Hinweis: Unter das Handyverbot fallen alle elektronischen Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen und dafür in der Hand gehalten werden, wie Mobiltelefone, Smartphones, Tablets und Navigationsgeräte. Auch andere Geräte, die diese Funktionen haben können - wie elektronische Terminplaner, E-Book-Reader, Laptops, Smartwatches, Videorekorder und Audiorekorder - sind eingeschlossen.
Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 25.09.2025 - III-1 ORbs 139/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Inobhutnahme: Lebensbedrohliche Misshandlung eines Säuglings unter elterlicher Obhut
War ein wenige Wochen alter Säugling unter elterlicher Obhut, wo er schwerste Verletzungen erleidet, muss davon ausgegangen werden, dass mindestens ein Elternteil dafür verantwortlich ist. Was aber, wenn die Umstände nicht näher aufgeklärt werden können? Darf das Jugendamt dennoch die Erziehungsrechte übernehmen? Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) war gefragt.
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War ein wenige Wochen alter Säugling unter elterlicher Obhut, wo er schwerste Verletzungen erleidet, muss davon ausgegangen werden, dass mindestens ein Elternteil dafür verantwortlich ist. Was aber, wenn die Umstände nicht näher aufgeklärt werden können? Darf das Jugendamt dennoch die Erziehungsrechte übernehmen? Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) war gefragt.
Die Mutter des Babys war allein sorgeberechtigt. Am 14.06.2023 stellten die Eltern das Baby zur Untersuchung "U3" der Kinderärztin vor. Diese stellte Auffälligkeiten fest und wies das Baby wegen des Verdachts auf eine Infektion in die Kinderklinik ein. Dort wurde ein lebensbedrohlicher Zustand nach Reihenfraktur von insgesamt neun Rippen festgestellt. Die Klinik informierte das Jugendamt, da diese Verletzungen nur durch eine sehr massive Gewaltanwendung hervorgerufen worden sein konnten. Die Eltern gaben ein mögliches Unfallereignis an, was aber nicht glaubhaft erschien, so dass das Kind in Obhut genommen wurde. Ein Strafverfahren wurde durchgeführt, und das rechtsmedizinische Gutachten stützte die Ansicht des Krankenhauses. Allerdings konnten die Eltern nicht strafrechtlich verurteilt werden, da nicht feststellbar war, ob Vater oder Mutter oder beide gemeinschaftlich gehandelt haben. Dennoch wurden der Kindesmutter die Erziehungsrechte umfassend entzogen und auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Dagegen legte die Mutter Beschwerde ein.
Sie scheiterte vor dem OLG. Denn dieses teilte die Ansicht, dass in den Fällen, in denen Eltern nicht in der Lage seien, Gefahren vom Kind abzuwenden, ihnen die elterliche Sorge ganz oder teilweise entzogen werden müsse. Eine Kindeswohlgefährdung setze dabei eine gegenwärtige, in solchem Maß vorhandene Gefahr voraus, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls des Kindes voraussehen ließe. Hier ist das Kind bereits massiv geschädigt worden, und bei dem Tathergang muss davon ausgegangen werden, dass sich die Gefahr durch die Eltern jederzeit wieder realisieren kann. Davor muss das Kind geschützt werden.
Hinweis: Das Kindeswohl steht über allem, auch über dem Erziehungsrecht der Eltern. Es wäre nicht auszudenken, dass das Kind den Eltern zurückgegeben wird und es in der Folge zu weiteren Verletzungen oder gar zum Tod des Kindes kommt.
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 16.07.2025 - 4 UF 213/24(aus: Ausgabe 12/2025)
Kein Geldbetrag fällig: Lidl darf seine App weiterhin als kostenlos bezeichnen
"Wenn etwas kostenlos ist, bist du das Produkt", ist ein weiser Spruch, der nicht erst durch das "www" oftmals bittere Wahrheit erfahren hat. Doch besonders seit Erfindung des Internets sind Daten eine harte Währung, die sich für Unternehmen jeglicher Art digital rentiert. Was aber rechtlich dran ist an diesen Worten, musste das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) klären. Die Frage war, ob ein Discounter seine App als "kostenlos" bezeichnen darf, obwohl dafür Nutzerdaten erhoben und verarbeitet werden.
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"Wenn etwas kostenlos ist, bist du das Produkt", ist ein weiser Spruch, der nicht erst durch das "www" oftmals bittere Wahrheit erfahren hat. Doch besonders seit Erfindung des Internets sind Daten eine harte Währung, die sich für Unternehmen jeglicher Art digital rentiert. Was aber rechtlich dran ist an diesen Worten, musste das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) klären. Die Frage war, ob ein Discounter seine App als "kostenlos" bezeichnen darf, obwohl dafür Nutzerdaten erhoben und verarbeitet werden.
Lidl bietet seine App "Lidl Plus" an, über die die Kunden Rabatte, Sonderaktionen und personalisierte Angebote erhalten können. Für die Nutzung müssen Verbraucher die App installieren, persönliche Daten angeben und den Teilnahmebedingungen zustimmen, die satte 18 Seiten umfassen und unter anderem erklären, dass die Teilnahme "kostenlos" sei und welche Daten gespeichert und verwendet würden. Ein Verbraucherschutzverband hielt die App daher nicht für wirklich kostenlos, weil die Nutzer im Austausch für die Vorteile ihre Daten preisgeben müssten. Er verlangte, dass Lidl die Nutzung der App nicht mehr als kostenlos bezeichnen dürfe und einen "Gesamtpreis" angeben müsse.
Das OLG wies die Klage ab, ließ aber wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Nach Ansicht des Gerichts müssen die Nutzer für die App keinen Geldbetrag zahlen. Das deutsche und europäische Recht definieren einen Preis jedoch ausdrücklich als zu zahlenden Geldbetrag. Die Erhebung und Nutzung von Daten stelle dabei keinen derartigen Preis im rechtlichen Sinne dar. Deshalb durfte und darf Lidl die App als kostenlos bezeichnen. Wer die Teilnahmebedingungen liest, wird darüber informiert, welche Daten erhoben werden, und dass "kostenlos" nur bedeute, dass kein Geld verlangt werde. Wer die Bedingungen nicht lese, erfahre ohnehin nichts über die App, so dass auch kein irreführender Eindruck entstehe.
Hinweis: "Kostenlos" bezieht sich auf Geld, nicht auf Daten. Unternehmen müssen aber klar darlegen, welche Informationen sie sammeln und wie sie genutzt werden. Wer die Bedingungen liest, erhält alle notwendigen Informationen.
Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 23.09.2025 - 6 UKl 2/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Keine Job- oder Existenzbedrohung: Arzttätigkeit rechtfertigt allein kein Absehen vom Fahrverbot nach Geschwindigkeitsüberschreitung
Wer bei einer Bleifußfahrt erwischt wird, hat oft am meisten Angst vor einem Fahrverbot. Zu Recht, wie der folgende Fall des Bayerischen Oberlandesgerichts (BayObLG) beweist. Denn was alle Arbeitnehmer betrifft, die auf ihren fahrbaren Untersatz angewiesen sind, gilt eben auch prinzipiell für alle. Wann ein gegebener Ermessensspielraum ausgereizt werden darf, um die Sanktionen zu mindern - und wann eben nicht -, lesen Sie hier.
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Wer bei einer Bleifußfahrt erwischt wird, hat oft am meisten Angst vor einem Fahrverbot. Zu Recht, wie der folgende Fall des Bayerischen Oberlandesgerichts (BayObLG) beweist. Denn was alle Arbeitnehmer betrifft, die auf ihren fahrbaren Untersatz angewiesen sind, gilt eben auch prinzipiell für alle. Wann ein gegebener Ermessensspielraum ausgereizt werden darf, um die Sanktionen zu mindern - und wann eben nicht -, lesen Sie hier.
Ein Autofahrer wurde mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 46 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften gemessen. Gegen ihn erging ein Bußgeldbescheid in Höhe von 320 EUR und ein einmonatiges Fahrverbot. Dem Umstand, dass der Betroffene gegen die Verhängung des Fahrverbots Einspruch einlegte, verdanken wir die Tatsache, dass der Fall hier Erwähnung findet. Und siehe da: Das Amtsgericht gab dem Einspruch auch statt. Denn der Mann hatte argumentiert, dass er als Arzt mit besonderen Verpflichtungen auf den Führerschein angewiesen sei und mit dem Fahrverbot daher eine unzumutbare Härte vorliege. "Nö", meinte die Staatsanwaltschaft und legte Rechtsbeschwerde ein.
Das BayObLG gab der Rechtsbeschwerde statt. Allein die Tatsache, dass der Betroffene als Weiterbildungsassistent in einer Hausarztpraxis zu Besuchen in Pflegeheimen, Hausbesuchen und auch Diensten im Krankenhaus verpflichtet sei, genüge für die Annahme eines Härtefalls nicht. Dazu müsse eine erhebliche Beeinträchtigung seiner beruflichen Pflichten oder gar eine Gefährdung der medizinischen Versorgung seiner Patienten nachgewiesen sein. Hier sei aber anzunehmen, dass die Folgen des Fahrverbots durch organisatorische Maßnahmen - mit gelegentlichen Taxifahrten oder einem Aushilfsfahrer - zu überbrücken seien. Schließlich seien viele Arbeitnehmer dringend auf ihr Fahrzeug angewiesen, diese Tatsache reiche allein nicht aus, um die Folgen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu mindern. Eine Existenzbedrohung sei angesichts des Einkommens des Betroffenen (hier: 6.500 EUR brutto) ebenfalls nicht nachgewiesen. Es sei auch nicht zu berücksichtigen, dass ein Augenblicksversagen zu dem Verstoß geführt hat, da an der entsprechenden Stelle ein sogenannter Geschwindigkeitstrichter vorhanden war, der die zulässige streckenbezogene Höchstgeschwindigkeit schrittweise in Etappen auf den Zielwert herab begrenzt. Es war also nicht anzunehmen, dass gleich mehrere Schilder nicht wahrgenommen wurden.
Hinweis: Ein Fahrverbot ist in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen nicht ausnahmslos zu verhängen. Vielmehr steht dem Tatrichter (in Bußgeldsachen dem Amtsrichter) ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat.
Quelle: BayObLG, Beschl. v. 12.05.2025 - 202 ObOWi 262/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Kindergeld: Wechselmodell bringt anteiliges Elterngeld
Kindergeld wird immer von nur einem Elternteil bezogen. Solange die Eltern zusammenleben, ist das kein Problem, das Kindergeld fließt dann in den gemeinsamen Haushalt. Im Fall der Trennung muss dann aber auch das Kindergeld aufgeteilt werden. Wie es sich dabei mit dem Anspruch des Elternteils verhält, der nicht das Kindergeld bezieht, klärte das Oberlandesgericht Celle (OLG).
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Kindergeld wird immer von nur einem Elternteil bezogen. Solange die Eltern zusammenleben, ist das kein Problem, das Kindergeld fließt dann in den gemeinsamen Haushalt. Im Fall der Trennung muss dann aber auch das Kindergeld aufgeteilt werden. Wie es sich dabei mit dem Anspruch des Elternteils verhält, der nicht das Kindergeld bezieht, klärte das Oberlandesgericht Celle (OLG).
Die Eltern dreier Kinder trennten sich. Die Eltern erzogen zwei der Kinder im Wechselmodell. Das dritte Kind blieb ganz bei der Mutter. Die Mutter erhielt das Kindergeld für alle drei gemeinsamen Kinder. Die Eltern forderten sich im Trennungsverfahren nicht nur gegenseitig zur Auskunft über ihre Einkünfte auf; der Vater forderte zudem noch ein Viertel des bezogenen Kindergelds der Mutter.
Das sah das OLG ebenso und verfügte, dass die Mutter dem Vater das Kindergeld anteilig abgeben müsse. Denn im Wechselmodell kann der das Kindergeld nicht beziehende Elternteil ein Viertel des Kindergeldes fordern - auch ohne Vortrag zum Unterhaltsanspruch des Kindes. Jeder Elternteil schulde seinem Kind schließlich Unterhalt. Bezieht ein Elternteil kein Kindergeld, werde der Unterhaltsanspruch entsprechend gemindert. Es kann grundsätzlich kein Kindergeldanteil isoliert gefordert werden. Im Wechselmodell aber kann das anteilige Kindergeld als Ausgleichsanspruch geltend gemacht werden.
Hinweis: Denken Sie an diese Besonderheit, wenn Sie die Kinder im Wechselmodell erziehen, und fordern Sie Ihr anteiliges Kindergeld. Das Kindergeld beträgt noch bis zum 31.12.2025 monatlich 255 EUR pro Kind, ab dem 01.01.2026 monatlich 259 EUR pro Kind - Geld, das im Übrigen für die Kindererziehung eingesetzt werden soll.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.08.2025 - 17 UF 52/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Nicht unabwendbarer Unfall: Mithaftung trotz Rotlichtverstoßes des Unfallgegners
Wer durch einen Rotlichtverstoß einen Unfall verursacht, ist doch wohl zu 100 % daran schuld, oder etwa nicht? Der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) zeigt, dass sich die mutmaßlich unschuldig Geschädigten nicht zu schnell zurücklehnen sollten. Denn wie immer zahlen auch beim Offensichtlichen die Gesamtumstände ein, die hier selbst die Vorinstanz nicht gänzlich erfasst hatte.
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Wer durch einen Rotlichtverstoß einen Unfall verursacht, ist doch wohl zu 100 % daran schuld, oder etwa nicht? Der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) zeigt, dass sich die mutmaßlich unschuldig Geschädigten nicht zu schnell zurücklehnen sollten. Denn wie immer zahlen auch beim Offensichtlichen die Gesamtumstände ein, die hier selbst die Vorinstanz nicht gänzlich erfasst hatte.
Der Kläger fuhr mit dem Pkw seines Vaters innerorts in südliche Fahrtrichtung, der Beklagte kam ihm mit einem Linienbus aus nördlicher Richtung entgegen. Der Kläger ordnete sich im Kreuzungsbereich auf der Linksabbiegerspur hinter vier weiteren Fahrzeugen ein und fuhr nach dem Umschalten des Linksabbiegerpfeils auf Grün als fünftes und letztes Fahrzeug in die Kreuzung ein, um zu wenden. Der ihm entgegenkommende Beklagte kollidierte mit seinem Bus bei seiner Geradeausfahrt mit dem Fahrzeug des Klägers. Das Frankfurter Landgericht (LG) hatte der Schadensersatzklage bei Annahme einer alleinigen Haftung des Beklagten überwiegend stattgegeben. Doch das ließ der Busfahrer nicht auf sich sitzen, so dass die Sache vor dem OLG landete.
Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG entschieden, dass auch den Kläger eine Mithaftung trifft - und zwar in Höhe von 1/5. Somit greift zu Lasten des beklagten Busfahrers eine Haftung von 4/5. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war davon auszugehen, dass der Unfall für keinen der Beteiligten ein unabwendbares Ereignis gewesen sei. Zu Lasten des Beklagten ging, dass die Ampel für den Bus unmittelbar vor der Kollision bereits seit mindestens 22 Sekunden Rot gezeigt hatte. Dass eine Fehlschaltung in Form eines sogenannten "feindlichen Grüns" (beispielsweise bei einem Defekt der Ampelanlage) vorgelegen hat, war auszuschließen. Darüber hinaus musste berücksichtigt werden, dass der Busfahrer mit 58 km/h - und damit mit leicht überhöhter Geschwindigkeit - gefahren war. Zu Lasten des Klägers sprach hingegen, dass dieser sich ungewöhnlich lange im Kreuzungsbereich aufgehalten hatte. Er beabsichtigte, unter Nutzung der Linksabbiegespur ein Wendemanöver durchzuführen. Dadurch habe er sich infolge der geringeren Geschwindigkeit länger (9 Sekunden) als üblich (4 bis 4,5 Sekunden) im Kreuzungsbereich aufgehalten. Er hätte die Kollision mit dem für ihn sichtbaren Bus bei rechtzeitiger Bremsung also vermeiden können. Zu guter Letzt war auch noch von einem Gelblichtverstoß des Klägers auszugehen. Die Abwägung der Verursachungsbeiträge auf Seiten des Beklagten (Rotlichtverstoß, überhöhte Geschwindigkeit und erhöhte Betriebsgefahr des Busses) und des Klägers (Gelblichtverstoß, längeres Aufhalten im Kreuzungsbereich infolge Wendemanövers) führte zu einer Haftungsverteilung von 4/5 zu Lasten des Beklagten und 1/5 zu Lasten des Klägers.
Hinweis: Ist ein Verkehrsunfall für keinen der Beteiligten unabwendbar, sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge am Zustandekommen des Unfalls zu würdigen. Der Rotlichtverstoß des Busfahrers wiegt deutlich schwerer als der Gelblichtverstoß des Pkw-Fahrers.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 23.09.2025 - 10 U 213/22(aus: Ausgabe 12/2025)
Selbstbestimmung im Umgangsrecht: Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass verbindliche Umgangsregelung kein Muss ist
Eltern, die den Umgang mit ihren Kindern gerichtlich regeln lassen wollen, können sich grundsätzlich auf Art. 6 Grundgesetz (GG - Schutz von Ehe und Familie) berufen. Zu beachten ist hierbei das Wort "grundsätzlich" - denn trotz des Grundrechts müssen die Fachgerichte hier nicht immer eine Entscheidung treffen. So nahm das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerden zweier Eltern nicht an.
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Eltern, die den Umgang mit ihren Kindern gerichtlich regeln lassen wollen, können sich grundsätzlich auf Art. 6 Grundgesetz (GG - Schutz von Ehe und Familie) berufen. Zu beachten ist hierbei das Wort "grundsätzlich" - denn trotz des Grundrechts müssen die Fachgerichte hier nicht immer eine Entscheidung treffen. So nahm das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerden zweier Eltern nicht an.
Eltern haben das Recht und die Pflicht, Kontakt zu ihrem Kind zu pflegen. Können sich getrennt lebende Eltern nicht einigen, trifft das Familiengericht eine entsprechende Umgangsregelung, mit der ein konkreter Umgang durchgeführt oder gar der Umgang ausgeschlossen werden soll. Doch es gibt auch Ausnahmefälle.
- In einem Fall sagte der Sohn, dass er zwar Interesse an seinem Vater habe, aber selbst entscheiden wolle, wann er ihn sehe. Also traf das mit der Sache befasste Familiengericht keine Entscheidung, um das Selbstbestimmungsrecht des Kindes zu achten.
- Im zweiten Fall hatte eine Mutter seit Jahren keinen Kontakt zu ihrem Kind, das beim Vater lebte, und beantragte mehrfach eine Umgangsregelung. Doch das Familiengericht traf keine, da die Mutter eine längerfristige professionelle Begleitung der Treffen ablehnte. Das Gericht war überzeugt, dass ohne eine entsprechende Umgangsbegleitung eine Kindeswohlgefährdung drohe.
In beiden Fällen stützte das BVerfG die Entscheidungen der Gerichte. Es forderte aber auch, dass die Fachgerichte bei einem länger andauernden oder unbefristeten Umgangsausschluss die drohenden kindlichen Schäden konkret benennen müssen - sonst sei der Eingriff in Art. 6 GG zu groß.
Hinweis: Über allem steht das Kindeswohl. Schadet der Umgang dem Kind oder ist das Kind schon reif genug, um zu sagen "Ich will über den Umgang bestimmen", kann das Gericht von einer Umgangsregelung absehen. Als Elternteil, der einen Umgang gerichtlich regeln will, muss man also genau darlegen, warum der Umgang dem Kindeswohl dienlich sein kann, und darauf achten, dass das Gericht sauber und konkret benennt, warum es das Kindeswohl gefährdet sieht.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 08.10.2025 - 1 BvR 316/24 und 1 BvR 810/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Staatliches Ordnungsinteresse: Auch bei nicht geklärter Identität eines Elternteils muss ein Kind einen Namen haben
Wie selbstverständlich tragen wir alle unseren Nachnamen, ob den ursprünglichen Familiennamen oder den freiwillig angenommenen Namen nach einer Heirat. Aber was ist, wenn der Name des namensgebenden Elternteils nicht bekannt bzw. nicht nachgewiesen ist - welchen Namen trägt dann das Kind?
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Wie selbstverständlich tragen wir alle unseren Nachnamen, ob den ursprünglichen Familiennamen oder den freiwillig angenommenen Namen nach einer Heirat. Aber was ist, wenn der Name des namensgebenden Elternteils nicht bekannt bzw. nicht nachgewiesen ist - welchen Namen trägt dann das Kind?
Die Eltern des Kindes, das im August 2022 geboren wurde, sind afghanische Staatsangehörige. Nach der Geburt ihres Kindes wählten die Eltern für die Namensführung des Kindes das deutsche Recht und bestimmten den Namen des Vaters zum Geburtsnamen des Kindes. Sowohl Identität des Vaters als auch die Eheschließung der Eltern konnten nicht nachgewiesen werden. Davon ungeachtet hatte der Vater die Vaterschaft jedoch anerkannt, und das bereits vor der Geburt. Dennoch erfolgte die Eintragung des Kindes im Geburtenregister zunächst mit dem Namen der Mutter. Das Standesamt trug das Kind dann mit dem Namen des Vaters ein - mit dem Zusatz "Namensführung nicht nachgewiesen". Die Standesamtsaufsicht legte dagegen Beschwerde ein.
Die Beschwerde wurde durch den Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Eltern dürfen wählen, welchen Namen das Kind tragen und wie es im Personenstandsregister eingetragen werden soll. Ist der gewählte Name des Elternteils nicht nachgewiesen, ist im Geburtenregister als gewählter Geburtsname des Kindes der vom Elternteil tatsächlich geführte Name mit dem einschränkenden Zusatz "Namensführung nicht nachgewiesen" zu beurkunden. Denn nur so kann dem staatlichen Ordnungsinteresse an der lückenlosen Registrierung feststehender Personenstandsfälle Rechnung getragen werden.
Hinweis: Wir leben in einer Zeit, in der leider viele Kriege toben. Viele Menschen müssen ihre Heimat schnell und oft auch ohne Papiere verlassen. Namen können dann nicht immer nachgewiesen werden, und trotzdem müssen die Kinder erfasst werden. Da ist es nur richtig und auch pragmatisch, wenn die "Nichtnachweisbarkeit" erfasst wird. Dennoch sollten betroffene Eltern versuchen, so viel "Namensbelege" wie möglich vorzulegen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 01.10.2025 - XII ZB 503/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Tod im Hotelzimmer: Keine Kostenübernahme für Tatortreinigung und Renovierung
Wenn ein TV-Krimi nach 90 Minuten endet, sind meist alle offensichtlich spannenden Fragen gelöst. Der Fall vor dem Landgericht Regensburg (LG) zeigt jedoch, dass nach Klärung eines realen (wenngleich hier natürlichen) Todesfalls immer noch viele Antworten offenbleiben - zum Beispiel, ob ein Hotel von einem Nachlasspfleger Schadensersatz für die Aufwendungen verlangen kann, die durch dem Tod eines Gastes im Hotelzimmer entstanden waren.
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Wenn ein TV-Krimi nach 90 Minuten endet, sind meist alle offensichtlich spannenden Fragen gelöst. Der Fall vor dem Landgericht Regensburg (LG) zeigt jedoch, dass nach Klärung eines realen (wenngleich hier natürlichen) Todesfalls immer noch viele Antworten offenbleiben - zum Beispiel, ob ein Hotel von einem Nachlasspfleger Schadensersatz für die Aufwendungen verlangen kann, die durch dem Tod eines Gastes im Hotelzimmer entstanden waren.
Ein Gast verstarb im März 2022 in seinem Hotelzimmer. Der Mann war 2011 nach Südafrika ausgewandert, kam aber regelmäßig nach Deutschland zurück und blieb 2021 aufgrund der Corona-Pandemie ganze acht Monate im Hotel. Ob es an den Kontaktrestriktionen dieser Zeit lag oder daran, dass der Mann schon so eine lange Zeit Hotelgast war und somit quasi schon zur Einrichtung gehörte - an dieser Stelle bleibt ungewiss, warum der Mann nach seinem Versterben "eine gewisse" Zeit unentdeckt blieb. Dies war nicht nur aus menschlicher Sicht traurig, sondern auch aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise des Hoteliers, denn durch die eingesetzte Verwesung des Leichnams entstanden Schäden am Zimmer und am Mobiliar. Der Hotelbetreiber verlangte vom Nachlasspfleger daher 25.543 EUR für Tatortreinigung, Renovierung, neue Möbel und die Minibar. Außerdem waren noch Beträge aus Restaurantbesuchen offen. Der Nachlasspfleger argumentierte hingegen, dass der Gast seinen eigenen Tod nicht zu vertreten habe und die geltend gemachten Kosten weder notwendig noch üblich seien. Außerdem berief er sich auf Verjährung.
Das LG wies die meisten Forderungen ab - lediglich die offene Restaurantrechnung von 10,20 EUR wurde anerkannt. Das Gericht stellte klar, dass ein Hotelvertrag aus Miet-, Dienst- und Verwahrungsvertragselementen besteht. Schäden, die durch den natürlichen Tod eines Gastes entstehen, gelten nicht als Pflichtverletzung und sind dem Vertrag rechtlich nicht zuzurechnen. Auch eine Haftung des Erben scheide aus, weil der Erbe nur für Verbindlichkeiten hafte, die vor dem Tod des Verstorbenen entstanden seien. Kosten, die erst nach dem Tod durch Verwesung oder Reinigung entstehen, gehören nicht dazu. Die Restaurantrechnung fällt jedoch in die Kategorie einer klassischen Altverbindlichkeit und kann daher eingefordert werden.
Hinweis: Hotels tragen das Risiko von natürlichen Todesfällen ihrer Gäste. Aufwendungen für Reinigung oder Renovierung nach einem Todesfall können nicht vom Erben eingefordert werden. Offene Rechnungen, die vor dem Tod entstanden sind, müssen jedoch beglichen werden.
Quelle: LG Regensburg, Urt. v. 19.09.2025 - 85 O 1495/24(aus: Ausgabe 12/2025)
Umgangsrecht: Näherungsverbot gegen den Stiefvater ist selbst durch Mutter nicht anfechtbar
Wenn gegen den Stiefvater eines Kindes ein Näherungsverbot ausgesprochen wird, obwohl ein Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, kann die Ehefrau und Mutter des Kindes ein Beschwerdeverfahren dagegen einlegen - oder etwa nicht? Nein, sagt das Oberlandesgericht Rostock (OLG), und legt eine eindeutige Begründung seiner Entscheidung vor.
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Wenn gegen den Stiefvater eines Kindes ein Näherungsverbot ausgesprochen wird, obwohl ein Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, kann die Ehefrau und Mutter des Kindes ein Beschwerdeverfahren dagegen einlegen - oder etwa nicht? Nein, sagt das Oberlandesgericht Rostock (OLG), und legt eine eindeutige Begründung seiner Entscheidung vor.
Die alleinsorgeberechtigte Mutter hatte drei Kinder, unter anderem das betreffende im Mai 2014 geborene Mädchen. Zum leiblichen Vater bestand kein Kontakt. Bis zu seiner Wegweisung durch die Polizei, also einer Wohnungsverweisung kombiniert mit einem Rückkehr- und Betretungsverbot, im Juli 2024 wohnte dort auch der Ehemann der Mutter, somit der Stiefvater der Tochter. Ebenso wurde zu dieser Zeit das mittlerweile knapp zehn Jahre alte Mädchen durch das Jugendamt in Obhut genommen. Das Amt regte an, kindesschutzrechtliche Maßnahmen wie ein Näherungsverbot zu prüfen, da der Verdacht eines schweren sexuellen Missbrauchs durch den Stiefvater vorliege. Das Mädchen wies schwere Verletzungen im Genitalbereich auf, als sie vom Stiefvater ins Krankenhaus gebracht wurde, wo es mehrere Tage bleiben musste. Die Mutter trat dem damit entgegen, dass die Verletzungen durch einen Unfall, einen Sturz auf eine Leitersprosse, entstanden seien. Das einstweilige Näherungsverbot gegen den Stiefvater wurde schließlich im August verfügt, die Mutter legte dagegen Beschwerde ein. Diese wurde vom OLG zurückgewiesen.
Zum einen sind Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen grundsätzlich nicht anfechtbar. Eine Ausnahme hiervon bestehe nur dann, wenn "über die elterliche Sorge für ein Kind" entschieden werde. Dies lag hier nicht vor. Zum anderen war entscheidend, dass hier keine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung der Mutter vorlag. Und wessen Rechte durch eine getroffene Entscheidung nicht beeinträchtigt wurden, kann auch keine Beschwerde dagegen einlegen.
Hinweis: Die Entscheidung ist absolut nachvollziehbar und richtig. Natürlich sollen Familien nach Möglichkeit zusammengeführt werden - hier aber ging es um das Kindeswohl. Es muss sicher und abschließend geklärt sein, dass vom Stiefvater keine Gefahr ausgeht, bevor man ihn wieder zu dem Mädchen lässt. Und genau das Kindeswohl muss in solchen Prozessen auch immer das Hauptargument sein.
Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 21.10.2025 - 10 UF 84/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Veranstalter haftet für Reisebürofehler: Kunden können bei erheblichen Abweichungen vor Reiseantritt kostenlos stornieren
Ein Kunde mit Reiselust hatte eigentlich noch Glück im Unglück, denn der Mangel an seiner geplanten Auszeit kam schon vor Reiseantritt ans Licht. Dennoch sah er sich mit einer Stornorechnung des Veranstalters konfrontiert, der für die fehlerhafte Informationen eines Reisebüromitarbeiters nicht verantwortlich sein wollte. Also kam doch noch Ärger auf, mit dem sich schließlich das Amtsgericht München (AG) auseinandersetzen musste.
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Ein Kunde mit Reiselust hatte eigentlich noch Glück im Unglück, denn der Mangel an seiner geplanten Auszeit kam schon vor Reiseantritt ans Licht. Dennoch sah er sich mit einer Stornorechnung des Veranstalters konfrontiert, der für die fehlerhafte Informationen eines Reisebüromitarbeiters nicht verantwortlich sein wollte. Also kam doch noch Ärger auf, mit dem sich schließlich das Amtsgericht München (AG) auseinandersetzen musste.
Ein Mann buchte über ein Reisebüro eine Reise nach Ägypten für zwei Personen. Dabei wählte er ein Junior-Suite-Doppelzimmer mit All-Inclusive-Verpflegung. Aufgrund bereits gemachter Erfahrungen mit ägyptischen Hotelzimmern erkundigte sich der Reisewillige wiederholt über den Zustand der Zimmer. Der Mitarbeiter des Reisebüros versicherte seinem Kunden daraufhin, dass alle Zimmer des Hotels renoviert seien und daher auch er ein renoviertes Zimmer bekomme - entsprechend den Beispielbildern des Hotels, die mit "Wohnbeispiel" gekennzeichnet waren. Nach der Buchung stellte der Kunde zu Hause jedoch fest, dass durchaus nicht alle Zimmer renoviert seien. Und Treffer: Bei Rückfrage bestätigte die Reiseveranstalterin, dass für den Kunden kein renoviertes Zimmer reserviert worden und dies auch nicht mehr möglich sei. Tatsächlich gäbe es zwar einige renovierte Zimmer, diese waren aber ausgebucht oder nicht verfügbar. Die Hotelbeschreibung des Veranstalters machte keinen Unterschied zwischen renovierten und nicht renovierten Zimmern. Daraufhin stornierten die Reisenden die Reise und der Veranstalter stellte eine Stornorechnung über 657 EUR aus.
Das AG wies die Forderung auf Stornokosten ab und stellte fest, dass der Reisevertrag wegen eines Reisemangels erheblich beeinträchtigt war. Der Veranstalter musste sich die falschen Angaben des Reisebüros zurechnen lassen, weil er das Büro mit der Buchung beauftragt hatte. Auch die bereitgestellten Beispielbilder galten als Teil der Vereinbarung über den Zimmerstandard. Der Reiseveranstalter hafte daher dafür, dass die Weitergabe der Informationen durch das Reisebüro fehlerhaft erfolgte.
Hinweis: Reiseveranstalter haften für falsche Auskünfte ihrer Partnerbüros. Beispielbilder und mündliche Zusagen eines Mitarbeiters können den Vertrag beeinflussen. Kunden können bei erheblichen Abweichungen vor Reiseantritt kostenlos stornieren.
Quelle: AG München, Urt. v. 08.09.2025 - 112 C 7280/25(aus: Ausgabe 12/2025)
Verkehrssicherungspflicht: Betreiber haftet nicht für jeden Ausrutscher im Supermarkt
In diesem Fall ging es um das weite Feld der Verkehrssicherungspflicht. Dabei musste das Landgericht Frankenthal (LG) die Frage beantworten, wie weit die Pflicht eines Supermarktbetreibers greift, die Böden zur Unfallvermeidung sauber zu halten: Reicht eine Kontrolle aus, die jede halbe Stunde erfolgt, oder sind hier kürzere Takte zumutbar?
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In diesem Fall ging es um das weite Feld der Verkehrssicherungspflicht. Dabei musste das Landgericht Frankenthal (LG) die Frage beantworten, wie weit die Pflicht eines Supermarktbetreibers greift, die Böden zur Unfallvermeidung sauber zu halten: Reicht eine Kontrolle aus, die jede halbe Stunde erfolgt, oder sind hier kürzere Takte zumutbar?
Eine Frau rutschte beim Einkauf in einem Supermarkt in der Obst- und Gemüseabteilung aus, verletzte sich dabei am Brustwirbel und verlangte schließlich 10.000 EUR Schmerzensgeld. Die Betreiberin des Supermarkts erklärte, dass der Boden jeden Morgen maschinell gereinigt und alle 30 Minuten kontrolliert werde. Bei den Kontrollen entferne das Personal Verschmutzungen sofort.
Für das LG ausreichend, denn es wies die Schmerzensgeldforderung ab. Nach Ansicht des Gerichts genügten die Reinigungs- und Kontrollintervalle, um die Verkehrssicherungspflicht entsprechend zu erfüllen. Ein Supermarktbetreiber muss nicht ständig jeden Quadratmeter sauber halten, sondern nur in zeitlich angemessenen Abständen, die wirtschaftlich vertretbar sind. Gefahren durch das Verhalten anderer Kunden können auch bei sorgfältiger Kontrolle nicht völlig ausgeschlossen werden. Es ist daher zumutbar, dass solche Risiken gelegentlich auftreten. Eine häufigere Kontrolle als alle 30 Minuten sei weder zumutbar noch wirtschaftlich erforderlich.
Hinweis: Supermarktbetreiber müssen ihre Böden zwar regelmäßig überprüfen, aber nicht permanent. Unfälle durch kurzfristige Verschmutzungen lassen sich nicht vollständig vermeiden. Kunden müssen auch ein gewisses Eigenrisiko tragen.
Quelle: LG Frankenthal (Pfalz), Urt. v. 16.09.2025 - 1 O 21/24(aus: Ausgabe 12/2025)
Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 27.6.2024 brachten eine Zeitenwende im Verhältnis von Wettbewerb und Klimaschutz. Dabei zeigt sich eine Ausrichtung des Green Deal auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und damit eine deutlich andere Gewichtung von Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung als bislang nach dem Green Deal und dem EU-Klimapaket, das schon in vielfacher Hinsicht umgesetzt wurde (RED III, EU-GebäudeRL, LastenteilungsVO, 2. Standbein Emissionshandel für Verkehrs und Gebäude etc.).
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 28. März 2025 entschieden, dass dem Begriff der "Hecke" im Sinne der Landesnachbargesetze keine allgemeine Höhenbegrenzung immanent ist. Entscheidend für die Einordnung als Hecke ist vielmehr, ob die Anpflanzung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einen geschlossenen Eindruck als Einheit vermittelt.
Im konkreten Fall ging es um eine Bambushecke, die eine Höhe von sechs bis sieben Metern erreicht hatte. Der Kläger verlangte den Rückschnitt auf drei Meter, gemessen vom Bodenniveau seines Grundstücks.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass der im hessischen Nachbarrechtsgesetz vorgeschriebene Grenzabstand von 0,75 Metern eingehalten wurde und keine ungewöhnlich schweren Beeinträchtigungen vorlägen.
Der BGH bestätigte, dass es keine allgemeine Höhenbegrenzung für Hecken gibt und verwies den Fall zur erneuten Prüfung an das Oberlandesgericht zurück. Dieses soll nun klären, ob der gesetzliche Grenzabstand tatsächlich eingehalten wurde.