Dreifacher Regelbußgeldsatz: Verschlechterungsverbot schreibt Berücksichtigung auch wirtschaftlicher Umstände vor
Sicherlich stimmt die Mehrheit der Autofahrer zu, dass die Verhängung des Regelfahrverbots stets die schlimmste aller Strafen nach einem Geschwindigkeitsverstoß ist. Dennoch darf dieses Bauchgefühl nicht dazu führen, stattdessen die Geldbuße zu verdreifachen, ohne dafür alle Gesamtumstände zu berücksichtigen. Sonst sorgen Gerichte wie das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) dafür, dass sich die Vorinstanzen nochmals der Sache annehmen müssen.
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Sicherlich stimmt die Mehrheit der Autofahrer zu, dass die Verhängung des Regelfahrverbots stets die schlimmste aller Strafen nach einem Geschwindigkeitsverstoß ist. Dennoch darf dieses Bauchgefühl nicht dazu führen, stattdessen die Geldbuße zu verdreifachen, ohne dafür alle Gesamtumstände zu berücksichtigen. Sonst sorgen Gerichte wie das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) dafür, dass sich die Vorinstanzen nochmals der Sache annehmen müssen.
Das Amtsgericht (AG) hatte gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h eine Geldbuße von 600 EUR festgesetzt. Es hatte dabei von der Verhängung des Regelfahrverbots abgesehen und stattdessen die Geldbuße verdreifacht. Hiergegen richtete sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, da sie unter anderem davon ausgeht, dass es an einer Benachteiligung des Betroffenen fehle. Die vom AG vorgenommene Festsetzung der Geldbuße sei im Vergleich zum Fahrverbot das mildere Ahndungsmittel.
Das OLG sah dies aber anders. Zwar führe die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend aus, dass unter dem Aspekt des Verschlechterungsverbots eine (erhöhte) Geldbuße gegenüber einem Fahrverbot die mildere Sanktion sei. Zu klären sei jedoch stets, ob der Betroffene überhaupt beschwert sei - nur dann kann er ein Rechtsmittel gegen das Urteil des AG einlegen, wenn von der härteren Sanktion gegen Erhöhung der milderen Sanktion abgesehen wird. Hier lag die Beschwer des Betroffenen nach Auffassung des Senats bereits darin, dass die Geldbuße signifikant erhöht worden war, nämlich verdreifacht. Hierin liegt eine wirtschaftliche Beschwer innerhalb der verhängten Sanktion, die den Betroffenen zu Unrecht benachteiligen kann. Die Bußgeldkatalogverordnung regelt nämlich, dass bei einem Absehen vom Fahrverbot die Geldbuße angemessen erhöht werden solle. Mangels Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen konnte der Senat daher nicht überprüfen, ob die Erhöhung der Geldbuße um das Dreifache angemessen gewesen sei. Die Feststellung des AG "Die Verdreifachung der Regelgeldbuße erfolgte unter Berücksichtigung der Gesamtumstände" stelle eine inhaltslose Floskel dar, weil das Urteil sich nicht zu diesen "Gesamtumständen" verhält. Der Senat hatte den Fall daher zurück an das AG zur erneuten Verhandlung verwiesen.
Hinweis: Verhängt das Bußgeldgericht ein erhöhtes Bußgeld und sieht dabei von der Verhängung eines Fahrverbots ab, verstößt dies zwar nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht gegen das Verschlechterungsverbot. Ist dieser Rechtsfolgenausspruch aber rechtsfehlerhaft, liegt hierin eine Beschwer des Betroffenen, weil die Erhöhung der Geldbuße innerhalb dieser Sanktionsform eine wirtschaftliche Belastung darstellt, so dass das Urteil zu seinem Nachteil auf diesem Rechtsfehler beruhen kann.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 19.06.2024 - I ORbs 60/24(aus: Ausgabe 09/2024)
Erntezeit = Traktorzeit: Missachtung der doppelten Rückschaupflicht bedingt Mithaftung nach unzulässigem Überholen
Ein Linksabbieger muss sich vor dem Einordnen sowie vor dem Abbiegen vergewissern, dass das Abbiegen gefahrlos möglich ist. Das besagt die doppelte Rückschaupflicht, die besonders auch Traktorfahrer betrifft, die sich während der Erntezeit vermehrt auf öffentlichen Straßen bewegen. Wird diese Pflicht verletzt, kommt es nach schadensreichen Kollisionen zu Terminen wie kürzlich vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG).
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Ein Linksabbieger muss sich vor dem Einordnen sowie vor dem Abbiegen vergewissern, dass das Abbiegen gefahrlos möglich ist. Das besagt die doppelte Rückschaupflicht, die besonders auch Traktorfahrer betrifft, die sich während der Erntezeit vermehrt auf öffentlichen Straßen bewegen. Wird diese Pflicht verletzt, kommt es nach schadensreichen Kollisionen zu Terminen wie kürzlich vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG).
Zwischen einem nach links auf einen Feldweg abbiegenden Traktor und einem überholenden Pkw kam es außerorts zu einer Kollision. Der Kläger hatte zuvor beabsichtigt, mit seinem Traktor, der bauartbedingt 40 km/h fahren kann, nach links in einen Feldweg einzubiegen. Zu diesem Zweck hatte er auch den Blinker links gesetzt. Von hinten nahte der Beklagte mit seinem Pkw. Auf der Strecke besteht ein Überholverbot mit Ausnahme von Kfz und Zügen, die nicht schneller als 25 km/h fahren können oder dürfen. Dennoch setzte der Autofahrer zum Überholvorgang an und kollidierte mit dem linksabbiegenden Traktor, der dabei erheblich beschädigt wurde. Das LG sah die Verantwortlichkeit für den Unfall allein beim überholenden Pkw-Fahrer. Genau hiergegen wendete sich eben dieser.
Auf die Berufung hin hat das OLG die Haftungsquote geändert. Der Traktorfahrer haftet demnach für die Unfallfolgen zu 25 %, der Pkw-Fahrer zu 75 %. Die Verpflichtung der Beteiligten zum Ersatz der Unfallschäden hänge insbesondere davon ab, inwieweit diese von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden seien. Im konkreten Fall stehe fest, dass der Traktorfahrer gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen habe. Ein Linksabbieger müsse sich vor dem Einordnen und erneut unmittelbar vor dem Abbiegen vergewissern, dass das beabsichtigte Abbiegen gefahrlos möglich sei. Der Autofahrer habe demgegenüber das Überholverbot missachtet und zudem bei unklarer Verkehrslage überholt. Diese ergebe sich aus dem nach links am Traktor gesetzten Blinker. Die mehrfachen und nicht unerheblichen Verstöße gegen Regeln des Straßenverkehrsrechts rechtfertigen somit auch die überwiegende Haftung des Pkw-Fahrers. Die Mitverantwortlichkeit des Traktorfahrers trete demgegenüber jedoch nicht gänzlich zurück. Zwar komme unter Umständen auch eine Alleinhaftung des Überholenden in Betracht - dies indes nur dann, wenn sich das Überholen als grob verkehrswidrig und rücksichtslos darstellt.
Hinweis: Wer links abbiegen will, hat vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Ein Fahrzeug, das überholen will und das bei der Rückschau gesehen wird, ist hierbei vor dem Abbiegen durchzulassen. Die doppelte Rückschaupflicht entfällt nur, wenn die Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn ein Linksüberholen technisch unmöglich ist oder dies besonders grob verkehrswidrig wäre und deshalb auch bei größter Sorgfalt nicht voraussehbar ist, oder bei Gewissheit, dass der nachfolgende Verkehr das Abbiegen nach links erkannt hat. Daher haftet grundsätzlich der Linksabbieger im Fall einer Kollision mit einem überholenden Fahrzeug zu 100 %.
Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.04.2024 - 1 U 116/23(aus: Ausgabe 09/2024)
Keine Übertragung von Bagatellen: Grundrentenentgeltpunkte im Versorgungsausgleich
Wer 33 oder mehr Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, erwirbt sogenannte Grundrentenpunkte für langjährig Versicherte. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei Scheidung stellt sich die Frage, ob diese Grundrentenpunkte separat zu betrachten seien oder womöglich eher als "Bagatelle" nicht aufgeteilt werden müssten. In einem solchen Fall war kürzlich das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) gefragt.
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Wer 33 oder mehr Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, erwirbt sogenannte Grundrentenpunkte für langjährig Versicherte. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei Scheidung stellt sich die Frage, ob diese Grundrentenpunkte separat zu betrachten seien oder womöglich eher als "Bagatelle" nicht aufgeteilt werden müssten. In einem solchen Fall war kürzlich das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) gefragt.
Hier hatte die Ehefrau neben dem "normalen" Anrecht in der allgemeinen Rentenversicherung einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sogenannte Grundrentenentgeltpunkte) erlangt. Der Grundrentenanteil allein betrachtet lag als Kapitalwert unterhalb der 2023 geltenden Bagatellgrenze von 4.074 EUR. Nun stellte sich die Frage, ob diese Bagatelle einen zusätzlichen Aufwand begründen könne. Zwar entstehe bei der Grundrente durch die Übertragung der Entgeltpunkte als solche kein besonderer Verwaltungsaufwand. Im Alter wäre dann aber zu prüfen, ob es überhaupt zur Auszahlung kommt. Das hängt vom Einkommen ab. Ob dieser Aufwand ins Gewicht fällt, beurteilten die Gerichte bisher verschieden. Die Gerichte in Frankfurt, Oldenburg und Braunschweig sahen darin einen zu hohen Aufwand. Das Bamberger Gericht war der Auffassung, dass aufgrund des automatischen Abgleichs mit den Finanzbehörden dieses Verfahren recht mühelos verlaufen wird.
Der Senat des hier urteilenden OLG schloss sich nun der zuerst genannten Auffassung an. Es bedürfe schließlich nicht nur des jährlichen Abrufs der Daten, sondern auch der anschließenden Berechnung, ob und in welcher Höhe es zu einer Anrechnung käme. Zudem könne der an sich vorgesehene automatisierte Datenabgleich ins Leere gehen, wenn trotz der Steuererklärungspflicht keine Steuererklärung abgegeben wurde oder der Berechtigte nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sei. Das OLG bezog in die konkrete Abwägung noch mit ein, dass der Ehemann angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich seiner Versorgungssituation nicht dringend auf den Ausgleich dieser letztendlich zusätzlichen 12 EUR monatlich angewiesen sei.
Hinweis: Der Rechtsmittelweg zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen, um die Rechtsprechung zu vereinheitlichen. Dazu kommt es aber nur, wenn der Ehemann auf seine 12 EUR so viel Wert legt, dass er auf sein Kostenrisiko zur Rechtsfortbildung beitragen will.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.06.2024 - 16 UF 82/24(aus: Ausgabe 09/2024)
Prozesstaktik bei besonderer Konstellation: Über den Verfahrenswert im vorzeitigen Zugewinnausgleich
Üblicherweise wird mit der Ehescheidung darüber entschieden, wie viel Zugewinn die Eheleute gemacht haben und wem ein Ausgleich zusteht. Wenn es um große Summen geht - im Fall des Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) um mehr als 2 Mio. EUR Ausgleichsforderung -, lohnt es sich für den Ausgleichsberechtigten, über einen anderen prozessualen Verlauf nachzudenken, um vor der Scheidung schon in Genuss der schnellen Ausgleichszahlung oder einer guten Verzinsung zu kommen.
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Üblicherweise wird mit der Ehescheidung darüber entschieden, wie viel Zugewinn die Eheleute gemacht haben und wem ein Ausgleich zusteht. Wenn es um große Summen geht - im Fall des Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) um mehr als 2 Mio. EUR Ausgleichsforderung -, lohnt es sich für den Ausgleichsberechtigten, über einen anderen prozessualen Verlauf nachzudenken, um vor der Scheidung schon in Genuss der schnellen Ausgleichszahlung oder einer guten Verzinsung zu kommen.
Das Anliegen der Antragstellerin beschränkte sich hier auf das Fälligkeitsinteresse. Dieses Interesse ist in Abhängigkeit von der Ausgleichsforderung und der zu erwartenden Dauer bis zur Rechtskraft des Scheidungsausspruchs zu schätzen. Weil auch dieses (Zins-)Interesse von der Höhe des zu erwartenden Zugewinnausgleichs abhängt, kann hiervon ein Bruchteil angesetzt werden. Dieser Bruchteil ist in der Regel geringer als mit einem Viertel des voraussichtlichen Anspruchs zu bewerten, weil angesichts des rechtshängigen Scheidungsverfahrens zu erwarten ist, dass die Ehe ohnehin in nicht allzu ferner Zeit aufgelöst wird. Im hier zu entscheidenden Fall hätte aber die Ermittlung der Immobilienwerte zu einer erheblichen Verzögerung des Scheidungsverbundverfahrens führen können. Der Senat schätzte die zu erwartende Ausgleichsforderung anhand der (bislang) unwidersprochenen Angaben der Ehefrau auf mindestens 2.035.000 EUR und setzt den Verfahrenswert auf 10 % hiervon fest.
Hinweis: Ein solches Verfahren kann man immer dann einleiten, wenn die Trennung mehr als 36 Monate her ist - sogar ohne dass ein Scheidungsverfahren läuft oder ohne dass man jemals geschieden werden möchte.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.07.2024 - 11 UF 560/24(aus: Ausgabe 09/2024)
Schutzwürdiges Interesse: Kfz-Haftpflichtversicherung muss Detektivbericht offenlegen
Lässt eine Versicherung den Anspruchssteller durch ein Detektivbüro observieren, kann dem Betroffenen ein Auskunftsrecht über die gesammelten personenbezogenen Daten zustehen. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) jüngst festgestellt, nachdem das zuvor damit befasste Landgericht (LG) noch anderer Auffassung war.
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Lässt eine Versicherung den Anspruchssteller durch ein Detektivbüro observieren, kann dem Betroffenen ein Auskunftsrecht über die gesammelten personenbezogenen Daten zustehen. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) jüngst festgestellt, nachdem das zuvor damit befasste Landgericht (LG) noch anderer Auffassung war.
In dem hier entschiedenen Fall war dem Detektiveinsatz ein Verkehrsunfall vorausgegangen, bei dem der Kläger verletzt worden war. Wegen seiner Verletzungen machte dieser Ansprüche bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers geltend. Die Versicherung hatte jedoch den Verdacht, dass die unfallbedingten Einschränkungen des Klägers tatsächlich geringer waren als angegeben. Sie ging folglich davon aus, dass der Kläger unberechtigte Ansprüche geltend mache. Die daraufhin von der Versicherung beauftragte Detektei observierte den Kläger über mehrere Wochen und fasste ihre Erkenntnisse über die gesundheitlichen Alltagseinschränkungen des Klägers für die Versicherung in einem Ermittlungsbericht zusammen. Der Kläger erhob gegen den Haftpflichtversicherer nun Klage, die unter anderem auf Auskunft zu den von der Detektei gesammelten und folglich von der Versicherung verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie auf Herausgabe einer Kopie der Informationen gerichtet war. Die Versicherung hatte die Auskunft lediglich teilweise erteilt und sich im Übrigen auf ein datenschutzrechtliches Geheimhaltungsinteresse berufen.
Das mit der Klage befasste LG erkannte der Versicherung ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse zu und wies die Klage ab. Die vom Kläger eingelegte Berufung hatte jedoch Erfolg: Das OLG hat die Versicherung zur Auskunft über die personenbezogenen Daten des Klägers und zur Herausgabe einer Kopie des Observationsberichts der Detektei verurteilt. Der Senat hat festgestellt, dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch zusteht, da vom Kläger personenbezogene Daten gesammelt und verarbeitet worden seien. Betroffenen stünde in solchen Fällen ein generell schutzwürdiges Interesse an der Auskunft zu. Bei den personenbezogenen Daten des Klägers handele es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse. Auch sonst bestehe kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse, da die Versicherung die Erkenntnisse aus den Ermittlungsberichten bei späteren Rechtsstreitigkeiten ohnehin offenlegen und dem Kläger eine Reaktion hierauf ermöglichen müsse. Auch dass der Kläger die Informationen später in einem Rechtsstreit gegen die Versicherung verwenden würde, sei nicht zwingend. Es sei nach dem Senat ebenso denkbar, dass sich der Kläger nach Offenlegung des Ermittlungsergebnisses - je nach Inhalt der Berichte - sogar dazu entscheide, von einer Inanspruchnahme der Versicherung abzusehen.
Hinweis: Ein Auskunftsanspruch ergibt sich aus Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung. Das Auskunftsrecht verfolgt den Zweck, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Grundsätzlich könne der Auskunftsanspruch zwar durch Rechte anderer Personen eingeschränkt sein - ein solches Gegenrecht konnte die Versicherung in diesem Fall aber nicht darlegen.
Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 09.04.2024 - 13 U 48/23(aus: Ausgabe 09/2024)
Schwammige Umgangsvereinbarung: Kein Ordnungsgeld nach zufälligen Treffen
Ein Gerichtsbeschluss nutzt nur dann etwas, wenn man ihn auch durchsetzen kann oder aus der Nichtbefolgung Nachteile entstehen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) machte in seiner Entscheidung nochmal deutlich, dass klare Fomulierungen unerlässlich für die Durchsetzbarkeit von Beschlüssen sind.
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Ein Gerichtsbeschluss nutzt nur dann etwas, wenn man ihn auch durchsetzen kann oder aus der Nichtbefolgung Nachteile entstehen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) machte in seiner Entscheidung nochmal deutlich, dass klare Fomulierungen unerlässlich für die Durchsetzbarkeit von Beschlüssen sind.
Eine Mutter wollte gegen den Vater ihrer Kinder ein Ordnungsgeld festsetzen lassen. Ein Kind wohnte bei ihr, das andere beim Vater, und der jeweilige Kontakt zum anderen Elternteil war streitig gewesen. Einen Monat zuvor hatten die Eltern mit gerichtlicher Hilfe eine Einigung zu Protokoll gebracht, die das Familiengericht per Beschluss gebilligt und die Beteiligten darauf hingewiesen hatte, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - verhängt werden könne. In der Umgangsvereinbarung hatte es eine genaue Regelung der Umgangszeiten beider Eltern gegeben und zum Abschluss die Formulierung: "Darüber hinaus sind sich die Eltern einig, dass außerhalb der vereinbarten Umgangszeiten kein Kontakt zu dem jeweiligen Kind gesucht wird." Die Mutter warf dem Vater nun vor, hiergegen fortlaufend zu verstoßen und das Kind, das bei ihr wohnte, an der Schule abzufangen. Das Problem hierbei: Beide Kinder besuchten dieselbe Schule.
Das OLG lehnte die Festsetzung eines Ordnungsmittels ab, weil die Vereinbarung nicht so konkret gefasst worden war, dass man dem Vater einen Verstoß vorwerfen könne. Gerade weil das bei ihm lebende Kind dieselbe Schule wie sein Geschwisterkind besuche, könne man ohne nähere Konkretisierung nicht beurteilen, ob Kontakt "gesucht" worden sei oder ob es sich um zufällige Begegnungen gehandelt habe. Das Suchen von Kontakt impliziere ein aktives Tun zur Herbeiführung des Kontakts. Eine Verpflichtung, zufällige Kontakte zu verhindern oder durch aktives Entfernen abzubrechen, sei der Vereinbarung nicht zu entnehmen.
Hinweis: Wer Wert auf ein solches Kontaktverbot legt, muss schon beim Formulieren des Vereinbarungstexts darauf achten, dass es so bestimmt und unzweideutig ist, dass es dadurch vollstreckungsfähig wird.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.07.2024 - 18 WF 14/24(aus: Ausgabe 09/2024)
Sittliche Pflicht: Bürgergeldbezieher müssen keinen Kindesunterhalt aus Geld für häusliche Pflege zahlen
Wenn ein Unterhaltspflichtiger den Kindesunterhalt nicht leisten kann, springt zumeist die Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamts ein. Ob Unterhaltspflichtige, die neben Bürgergeld zusätzlich Geld für eine häusliche Pflege bekommen, davon Unterhalt zu zahlen haben, klärte das Oberlandesgericht Bamberg (OLG)
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Wenn ein Unterhaltspflichtiger den Kindesunterhalt nicht leisten kann, springt zumeist die Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamts ein. Ob Unterhaltspflichtige, die neben Bürgergeld zusätzlich Geld für eine häusliche Pflege bekommen, davon Unterhalt zu zahlen haben, klärte das Oberlandesgericht Bamberg (OLG)
Hier ging es um die Mutter eines minderjährigen Kindes, die von Bürgergeld lebte. Das Kind wohnte beim Vater. Zusätzlich bekam die Frau von der Mutter ihres Lebensgefährten, die mit im Haushalt wohnte, Geld als Gegenleistung für häusliche Pflege und als Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten. Trotz dieses Zusatzverdiensts zahlte die Mutter keinen Kindesunterhalt. Daher sprang die Unterhaltsvorschusskasse beim Jugendamt ein und verklagte die Mutter auf Regress der übergegangenen Unterhaltsansprüche. Dieses Verfahren verlor das Jugendamt jedoch.
Laut OLG sind die Zahlungen nicht als Einkommen zu qualifizieren. Die Pflegeleistungen werden aufgrund einer anzuerkennenden engen persönlichen Beziehung im Rahmen einer bestehenden sittlichen Pflicht erbracht, weshalb diese Einnahmen kein neben dem Bürgergeldbezug zu berücksichtigendes Einkommen sind.
Hinweis: Das bedeutet übrigens nicht, dass aus Sicht des Kindes nicht geprüft werden könnte, ob die Mutter fiktiv leistungsfähig ist, weil sie zum Mindestlohn erwerbstätig sein könnte und ihre Erwerbsobliegenheit verletzt. Diese Überlegung steht aber nur dem Unterhaltsberechtigten selbst zu, nicht der Unterhaltsvorschusskasse.
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 19.07.2024 - 2 UF 43/24 e(aus: Ausgabe 09/2024)
Smartphone für 92 EUR! Übersendung von Gratisbeigabe bestätigt Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrags
Preisfehler im Internet können ausgesprochen kostspielig sein. Wer den Abschluss eines - auf fehlerhaften Angaben beruhenden - Kaufvertrags dann auch noch bestätigt, hat kaum noch Chancen, als Anbieter schadlos davonzukommen. Das Landgericht Frankfurt am Main (LG) stellte in einem derart gelagerten Fall fest, dass auch durch den Versand einer zugesicherten Gratisbeigabe ein solcher Abschluss als angenommen gelten kann.
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Preisfehler im Internet können ausgesprochen kostspielig sein. Wer den Abschluss eines - auf fehlerhaften Angaben beruhenden - Kaufvertrags dann auch noch bestätigt, hat kaum noch Chancen, als Anbieter schadlos davonzukommen. Das Landgericht Frankfurt am Main (LG) stellte in einem derart gelagerten Fall fest, dass auch durch den Versand einer zugesicherten Gratisbeigabe ein solcher Abschluss als angenommen gelten kann.
Durch einen Fehler bot ein Unternehmen online Smartphones für 92 EUR an, deren unverbindliche Preisempfehlung bei je 1.099 EUR lag. Als wäre ein solcher Fehler nicht schon ärgerlich genug gewesen, wurden bei Bestellungen zudem bestimmte Kopfhörer als Gratisbeigabe zugesichert. Ein Kunde bestellte im Rahmen von drei Bestellungen schließlich neun Smartphones sowie vier Gratiskopfhörer. Dabei zahlte er die Kaufpreise sofort. Noch im Laufe des Bestelltags änderte die Beklagte den Angebotspreis auf 928 EUR. Zwei Tage nach den Bestellungen versandte sie die vier Kopfhörer an den Kunden und teilte dies jeweils per Mail mit. Knapp zwei Wochen später stornierte sie die Bestellung unter Verweis auf einen gravierenden Preisfehler. Der Kunde klagte nunmehr die Lieferung und Übereignung der ausstehenden Smartphones ein - und erhielt vor Gericht Recht.
In der Übersendung einer Gratisbeigabe der Kopfhörer war laut LG auch die Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrags über das noch nicht versandte Hauptprodukt zu sehen. Trotz des Preisfehlers konnte der Käufer die Lieferung neuer Smartphones zu je 92 EUR statt 1.099 EUR laut unverbindlicher Preisempfehlung verlangen - und das gleich neunmal.
Hinweis: Wenn der Kaufvertrag erst einmal geschlossen ist, wird es schwer, davon wieder loszukommen.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.04.2024 - 9 U 11/23(aus: Ausgabe 09/2024)
Stürmische Zeiten: Ein Sturmschaden muss der Kfz-Versicherung klar nachgewiesen werden
Wer sich gegen die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung auf sein Fahrzeug absichert, sollte im Schadensfall keine "Pi-mal-Daumen"-Angaben machen, sondern konkrete Belege vorlegen. Denn sonst landet man mit seinen Ansprüchen schnell vor Gerichten wie dem Oberlandesgericht Nürnberg (OLG), denen nichts anderes übrig bleibt, als den ablehnenden Versicherern Recht zu geben.
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Wer sich gegen die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung auf sein Fahrzeug absichert, sollte im Schadensfall keine "Pi-mal-Daumen"-Angaben machen, sondern konkrete Belege vorlegen. Denn sonst landet man mit seinen Ansprüchen schnell vor Gerichten wie dem Oberlandesgericht Nürnberg (OLG), denen nichts anderes übrig bleibt, als den ablehnenden Versicherern Recht zu geben.
Der Kläger hatte bei der beklagten Versicherung eine Teilkaskoversicherung für seinen Kleintransporter abgeschlossen. Gegenüber der Versicherung machte er wegen eines Sturmschadens nun Schadensersatzansprüche geltend. Er behauptete, sein Fahrzeug sei wegen eines Sturms in der Zeit zwischen dem 17. und 21.02.2022 durch umherfliegende Gegenstände beschädigt worden. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt auf einer öffentlichen Straße abgestellt. Die Versicherung lehnte die Regulierung jedoch ab.
Nachdem die hiergegen gerichtete Klage beim Landgericht erfolglos blieb, schloss sich auch das OLG dieser Aufassung an. Der Kläger konnte nämlich schlichtweg nicht beweisen, dass sein Fahrzeug während des Sturms beschädigt wurde. Nach allgemeinen Grundsätzen obliege dem Kläger der Nachweis des Eintritts eines Versicherungsfalls. Nach den Versicherungsbedingungen war unter anderem die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung auf das Fahrzeug versichert. Eingeschlossen sind Schäden, die durch mindestens Windstärke 8 verursacht werden, wenn durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. Der Versicherungsnehmer muss dann sowohl das Vorliegen einer versicherten Naturgewalt als auch deren unmittelbare Einwirkung auf das Fahrzeug beweisen. Nach der Beweisaufnahme waren bereits der Schadenszeitpunkt und der konkrete Stellplatz des Fahrzeugs nicht zuverlässig feststellbar. Eine Beschädigung des Fahrzeugs durch Sturm war lediglich möglich - andere Ursachen konnten jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Hinweis: Der Versicherungsnehmer hatte sich auf Beweiserleichterungen berufen, die insbesondere beim Kfz-Diebstahl gelten. Das Gericht weist allerdings zutreffend darauf hin, dass anders als beim Diebstahl, der in der Regel nicht beobachtet wird, Naturgewalten sowohl von Zeugen als auch durch festgestellte Beschädigungen nachgewiesen werden können.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.06.2024 - 8 U 775/24(aus: Ausgabe 09/2024)
Stolperfalle im Restaurant: Problemlos erkennbare Stufe führt nicht zu Schadensersatzansprüchen
Vor dem Gericht ist nach dem Gericht - zumindest, wenn ein Gast im Restaurant stolpert und sich dabei verletzt. Eine Restaurantbesucherin folgte einem dringenden Bedürfnis und übersah dabei eine Stufe. Derjenige, der zuerst für das ordentliche Gericht auf dem Tisch sorgte, landete nach dem Vorfall in seinem Restaurant vor dem Tisch des Landgerichts Frankenthal (LG).
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Vor dem Gericht ist nach dem Gericht - zumindest, wenn ein Gast im Restaurant stolpert und sich dabei verletzt. Eine Restaurantbesucherin folgte einem dringenden Bedürfnis und übersah dabei eine Stufe. Derjenige, der zuerst für das ordentliche Gericht auf dem Tisch sorgte, landete nach dem Vorfall in seinem Restaurant vor dem Tisch des Landgerichts Frankenthal (LG).
Die Besucherin eines Restaurants hatte auf dem Weg zur Toilette eine abwärtsführende Stufe übersehen, stürzte gegen eine Mauerkante und verletzte sich dabei am Brustkorb und an einem Bein. Daher warf sie dem Restaurantbetreiber vor, auf die Stufe nicht ausreichend aufmerksam gemacht zu haben. Aufgrund der ähnlichen Farbgebung von Boden und Stufe und unzureichender Beleuchtung sei die Stufe nicht rechtzeitig erkennbar gewesen. Die auf der Stufe selbst angebrachten roten Klebestreifen hatte die Frau also offensichtlich übersehen. Und so klagte sie einen Betrag von 7.500 EUR ein.
Das Geld erhielt sie vor dem LG allerdings nicht. Ein Gastwirt habe zwar die Pflicht, seinen Gästen einen gefahrlosen Aufenthalt in seinem Restaurant zu ermöglichen. Ein Gast darf jedoch nicht erwarten, auch vor Gefahren geschützt zu werden, die für den aufmerksamen Benutzer ohne weiteres erkennbar seien, und auf die ein solcher sich somit auch einstellen könne.
Hinweis: Der Restaurantbetreiber kann seine Gäste eben nicht vor jeder Gefahr schützen. Die Grenzen sind dabei sicherlich fließend - und jeder Fall ist stets anders zu entscheiden.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 07.05.2024 - 7 O 264/23(aus: Ausgabe 09/2024)
Sturz im Baustellenbereich: Auf erkennbar provisorischen Wegen muss mit leichten Unebenheiten gerechnet werden
Allein der Umstand, dass eine Baustelle als solche erkennbar ist, lässt Verkehrsteilnehmer nicht immer Vorsicht walten. So sind zwar besonders unter Fußgängern die Unfallraten in Baustellenbereichen hoch, Schadensersatz gibt es dennoch selten. Denn zum einen sind Straßen und Wege an sich schon nicht gefahrlos; erkennbare Baustellen sind es erst recht nicht. Genau so sah das auch das Landgericht Lübeck (LG).
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Allein der Umstand, dass eine Baustelle als solche erkennbar ist, lässt Verkehrsteilnehmer nicht immer Vorsicht walten. So sind zwar besonders unter Fußgängern die Unfallraten in Baustellenbereichen hoch, Schadensersatz gibt es dennoch selten. Denn zum einen sind Straßen und Wege an sich schon nicht gefahrlos; erkennbare Baustellen sind es erst recht nicht. Genau so sah das auch das Landgericht Lübeck (LG).
Eine Frau war auf einem provisorischen Fußweg einer Strandpromenade innerhalb einer Baustelle gestürzt. Sie behauptete nun, der provisorische Fußweg sei nicht eben gewesen; die rechte Hälfte sei nicht erkennbar 15 cm tiefer gelegen. Dadurch habe sie sich vertreten und sei gestürzt, obwohl sie vorsichtig gegangen sei. Sie sei erst umgeknickt, dann in die Tiefe gerutscht und habe sich dann an der Absperrung festgehalten, wobei sie sich an der Wirbelsäule verletzt habe. Durch den Sturz habe sie eine Wirbelkörperfraktur in einem Brustwirbel erlitten. Nun verlangte sie unter anderem Schmerzensgeld. Das bekam sie jedoch nicht.
Das LG verneinte die Ansprüche der Geschädigten. Wer im Bereich einer Baustelle unterwegs sei, müsse auf dem Weg vermehrt mit Unebenheiten rechnen. Eine Ersatzpflicht bestehe nur, wenn eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde. Wer eine Gefahrenquelle schafft, muss zumutbare Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer zu vermeiden. Bei Straßen können Verkehrsteilnehmer keine völlige Gefahrlosigkeit erwarten - dies gelte erst recht bei einem erkennbar provisorischen Weg. Hier war der Baustellenbereich gut sichtbar gewesen. Die Frau konnte nicht darauf vertrauen, dort ungestört entlanggehen zu können, sondern hätte mit leichten Unebenheiten rechnen müssen. Mehr als geringfügig seien die Unebenheiten in Augen des LG nicht gewesen.
Hinweis: Trotzdem sollten Betroffene nach einem Unfall auch als Fußgänger möglichst schnell die Beweise sichern, also Fotos von der Baustelle fertigen oder fertigen lassen.
Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 27.02.2024 - 15 O 149/22(aus: Ausgabe 09/2024)
Vertragserklärung unter Druck: Unlautere Methoden bei Vertragsanbahnung per Telefon
Wer weiß, wie empfindlich Gerichte reagieren, wenn Anbieter Verbrauchern eine Pistole auf die Brust setzen, wird über den Ausgang des folgenden Falls nicht überrascht sein. Hier war das Landgericht München I (LG) gefragt, wie es den Umstand einschätzt, dass Verbraucher noch während des Beratungstelefonats eine parallel eingegangene E-Mail bestätigen sollen.
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Wer weiß, wie empfindlich Gerichte reagieren, wenn Anbieter Verbrauchern eine Pistole auf die Brust setzen, wird über den Ausgang des folgenden Falls nicht überrascht sein. Hier war das Landgericht München I (LG) gefragt, wie es den Umstand einschätzt, dass Verbraucher noch während des Beratungstelefonats eine parallel eingegangene E-Mail bestätigen sollen.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände verklagte ein Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen. Noch während eines Telefonats, in dem das Unternehmen Verbrauchern Telekommunikationsdienstleistungen anbot, bekamen die möglichen Interessenten eine E-Mail zugesendet. Dann wurden sie im Telefonat dazu aufgefordert, den in dieser E-Mail enthaltenen Link "ich bestätige" noch während des Gesprächs anzuklicken.
Der Verbraucherverband forderte laut LG zu Recht die Unterlassung dieser Geschäftspraktik. Die im Telefongespräch ausgesprochene Aufforderung, einen Link zur Vertragsbestätigung in einer während des Gesprächs zugesendeten E-Mail anzuklicken, stellt einen Verstoß gegen § 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dar. Denn ein Verbraucher darf nicht dazu aufgefordert werden, seine Vertragserklärung abzugeben, bevor das Telefonat beendet ist. So hätte er nämlich keine Möglichkeit mehr, sich in ausreichender Zeit Kenntnis von den Vertragsbedingungen zu verschaffen. Deshalb muss das Unternehmen diese Geschäftspraktik künftig unterlassen.
Hinweis: Am Telefon sollten möglichst keinerlei Verträge abgeschlossen werden. Das Risiko ist zu groß, überrumpelt zu werden. Ist das der Fall, hilft Ihnen der Rechtsanwalt des Vertrauens.
Quelle: LG München I, Urt. v. 22.04.2024 - 4 HK O 11626/23(aus: Ausgabe 09/2024)
Wartepflicht des Linksabbiegers: Gebotene Vorsicht bei drohender Überschneidung zweier Fahrwege im Einmündungsbereich
Beim Verkehrsrechtsfall, den das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) bewerten musste, handelte es sich um einen Klassiker - den Abbiegeunfall. Weil sich der Halter eines Fahrzeugs, dessen Fahrerin nach links abbiegen wollte, mit der hälftigen Haftungsverteilung nicht abfinden wollte, kam das Urteil des Landgerichts (LG) folglich auf den Prüfstand.
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Beim Verkehrsrechtsfall, den das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) bewerten musste, handelte es sich um einen Klassiker - den Abbiegeunfall. Weil sich der Halter eines Fahrzeugs, dessen Fahrerin nach links abbiegen wollte, mit der hälftigen Haftungsverteilung nicht abfinden wollte, kam das Urteil des Landgerichts (LG) folglich auf den Prüfstand.
Zwischen einem Pkw, dessen Fahrerin nach links abbog, und einem aus der Gegenrichtung in die gleiche Richtung (entsprechend nach rechts) abbiegenden Fahrzeug kam es innerorts zu einem Unfall. Das nach links abbiegende Fahrzeug wurde hierbei auf der gesamten Beifahrerseite beschädigt. Der Halter dieses Fahrzeugs verlangte von der gegnerischen Haftpflichtversicherung Ersatz seines Schadens zu 100 %. Das zunächst mit der Sache befasste LG nahm hingegen eine Schadensverteilung von 50:50 vor. Genau dagegen richtet sich die Berufung des Halters des linksabbiegenden Fahrzeugs.
Das OLG hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass die vorgenommene Haftungsverteilung von 50:50 nicht zu beanstanden ist. Derjenige, der nach links abbiegen will, hat entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren zu lassen. Den Linksabbieger trifft mithin grundsätzlich eine Wartepflicht gegenüber dem entgegenkommenden Verkehr. Die Wartepflicht des Linksabbiegers entfällt auch nicht, sobald sich der Linksabbieger in den Bereich der Vorfahrtstraße, in die er einbiegen will, begeben hat. Denn allein dadurch wird er noch nicht zum Benutzer der Vorfahrtstraße und damit gegenüber dem Gegenverkehr bevorrechtigt. Zu einem solchen wird er erst, wenn der Linksabbiegevorgang vollständig abgeschlossen ist - und dies kann nur angenommen werden, soweit keine Schrägstellung mehr vorliegt. Den Rechtsabbieger trifft wiederum der Vorwurf, gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme verstoßen zu haben. Nach Auffassung des Senats steht dem Linksabbieger demnach kein über 50 % hinausgehender Schadensersatzanspruch zu.
Hinweis: Sobald der Linksabbieger erkennen kann, dass ein sich aus der Gegenrichtung näherndes Fahrzeug nach rechts abbiegen will und es daher zu einer Überschneidung der Fahrzeugwege im Einmündungsbereich oder auf der nachfolgenden Straße kommen wird, setzt die Wartepflicht des Linksabbiegers ein.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 03.06.2024 - 3 U 746/24(aus: Ausgabe 09/2024)
Zu spätes "Last Minute": Schließt Check-in kurz nach Flugbuchung, muss Fluggesellschaft Ticketpreis erstatten
Dem Kompendium der Fluggastrechte kann hiermit ein durchaus interessanter Fall hinzugefügt werden. Das Amtsgericht Düsseldorf (AG) hatte dabei zu entscheiden, welche Rechte einem (im wahrsten Wortsinne) Last-Minute-Bucher zustehen, wenn diesem nach erfolgreicher Buchung ein ordnungsgemäßer Check-in zeitlich gar nicht mehr eingeräumt werden konnte.
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Dem Kompendium der Fluggastrechte kann hiermit ein durchaus interessanter Fall hinzugefügt werden. Das Amtsgericht Düsseldorf (AG) hatte dabei zu entscheiden, welche Rechte einem (im wahrsten Wortsinne) Last-Minute-Bucher zustehen, wenn diesem nach erfolgreicher Buchung ein ordnungsgemäßer Check-in zeitlich gar nicht mehr eingeräumt werden konnte.
Ein Mann kaufte während seines Flughafenaufenthalts um 12:06 Uhr über sein Smartphone ein Onlineticket für einen Flug am selben Tag um 13:10 Uhr nach Stockholm für 500 EUR. Die Buchungsbestätigung erhielt er per E-Mail um 12:09 Uhr. Ein Online-Check-in über die App gelang dem Mann aber nicht mehr, weil der Check-in planmäßig um 12:10 Uhr schloss. Der Mann konnte den gebuchten Flug daher nicht antreten und klagte nun die Rückzahlung der 500 EUR ein.
Vom AG erhielt er das Geld zugesprochen, allerdings ist noch eine Berufung gegen das Urteil möglich. Die Fluggesellschaft trifft die Nebenpflicht, den Fluggast vor Vertragsabschluss darüber aufzuklären, wie viel Zeit noch bis zum Check-in bestünde. Eine Information innerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen genüge hierbei nicht, da bei einer kurzfristigen eiligen Buchung nicht erwartet werden kann, dass sich der Fluggast die Informationen dort heraussucht. Da dieser notwendige Hinweis nicht erfolgt war, muss der Reisepreis erstattet werden.
Hinweis: Der Fluggast kann von einem Luftfahrtunternehmen erwarten, dass ein Verkauf von Flugscheinen nur so lange erfolgt, wie es dem Fluggast möglich ist, das Einchecken bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge noch durchführen zu können.
Quelle: AG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2024 - 37 C 294/24(aus: Ausgabe 09/2024)
Zusammenspiel von Versorgungsausgleich und Unterhalt: Versorgungsausgleichsanteil der Rente prägt nicht den ehelichen Bedarf
Bei der Unterhaltsberechnung wird zwischen "ehelichem Bedarf" und "Bedürftigkeit" unterschieden. Aus dem Bedarf ergibt sich, was am Ende zur Verfügung stehen muss, bei der Bedürftigkeit wird das Eigeneinkommen angerechnet. In einfachen Fällen sind die Beträge bei Bedarf und Bedürftigkeit identisch. Wenn der Berechtigte berentet ist und vom Versorgungsausgleich profitiert, während der Pflichtige noch berufstätig ist und keine aktuelle Kürzung hinnehmen muss, kommt es zu Terminen wie hier vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG).
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Bei der Unterhaltsberechnung wird zwischen "ehelichem Bedarf" und "Bedürftigkeit" unterschieden. Aus dem Bedarf ergibt sich, was am Ende zur Verfügung stehen muss, bei der Bedürftigkeit wird das Eigeneinkommen angerechnet. In einfachen Fällen sind die Beträge bei Bedarf und Bedürftigkeit identisch. Wenn der Berechtigte berentet ist und vom Versorgungsausgleich profitiert, während der Pflichtige noch berufstätig ist und keine aktuelle Kürzung hinnehmen muss, kommt es zu Terminen wie hier vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG).
Die 59 Jahre alte Ehefrau bezog bereits seit zehn Jahren eine volle Erwerbsminderungsrente von monatlich rund 1.400 EUR. Ein Minjob war ihr gemäß einem ärztlichen Gutachten nicht zumutbar, weil sie nach einer Darmkrebserkrankung unter Stuhlinkontinenz litt und aus Scham ihre Wohnung kaum verließ. Nun verlangte sie nach 28 Ehejahren dauerhaft Nachscheidungsunterhalt. Ihr Mann wollte gar nichts zahlen - und wenn doch, dann nicht lange. Durch den Versorgungsausgleich erhöhte sich die Rente der Ehefrau nun um monatlich 250 EUR, und das OLG nahm sich der Aufgabe an, zu berechnen, was das bedeutet.
In dieser Konstellation beinhaltete das, dass nur der kleine selbsterarbeitete Rentenbetrag von 1.400 EUR zusammen mit dem Einkommen des Mannes (hier 2.400 EUR) den ehelichen Bedarf prägte. Davon wurde aber der volle Rentenbetrag inklusive des Versorgungsausgleichs (mithin 1.650 EUR) abgezogen. Mit diesen Zahlen kämen demnach 250 EUR Unterhalt heraus. Diesen Unterhalt begrenzte das OLG zudem trotz der langen Ehedauer auf vier Jahre, da die ehebedingten Nachteile durch den Versorgungsausgleich bereits aufgefangen worden waren.
Hinweis: Es gibt keine Rechenformel, nach der sich aus einer gewissen Ehedauer ein Zeitraum für Nachscheidungsunterhalt ergibt, das hat das OLG wieder betont. Abwägungskriterien für die konkrete Bestimmung einer Übergangsfrist sind neben dem Alter des Unterhaltsberechtigten die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, die Länge des Zeitraums, in dem bereits Trennungsunterhalt gezahlt wird, sowie die beiderseitigen Vermögensverhältnisse.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 12.06.2024 - 13 UF 153/21(aus: Ausgabe 09/2024)
Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 27.6.2024 brachten eine Zeitenwende im Verhältnis von Wettbewerb und Klimaschutz. Dabei zeigt sich eine Ausrichtung des Green Deal auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und damit eine deutlich andere Gewichtung von Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung als bislang nach dem Green Deal und dem EU-Klimapaket, das schon in vielfacher Hinsicht umgesetzt wurde (RED III, EU-GebäudeRL, LastenteilungsVO, 2. Standbein Emissionshandel für Verkehrs und Gebäude etc.).