Beschaffenheitsvereinbarung bei Autokauf: Zustandsnote gilt als konkrete Auskunft über Erhaltungszustand eines Oldtimers
Das Schulnotenprinzip wird von klein auf so stark verinnerlicht, dass es sich auch im Erwachsenendasein als Bewertungsskala überall wiederfindet. So ist es auch im Bereich der Gebrauchtwagenverkäufe. Doch Vorsicht: Wer eine solche Einschätzung zum Erhaltungszustand in den Kaufvertrag aufnimmt, steht dafür gerade, dass sich der Käufer im Ernstfall darauf stützen darf. Dieser Ernstfall war vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ein bei der Hauptuntersuchung (HU) durchgefallener Oldtimer.
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Das Schulnotenprinzip wird von klein auf so stark verinnerlicht, dass es sich auch im Erwachsenendasein als Bewertungsskala überall wiederfindet. So ist es auch im Bereich der Gebrauchtwagenverkäufe. Doch Vorsicht: Wer eine solche Einschätzung zum Erhaltungszustand in den Kaufvertrag aufnimmt, steht dafür gerade, dass sich der Käufer im Ernstfall darauf stützen darf. Dieser Ernstfall war vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ein bei der Hauptuntersuchung (HU) durchgefallener Oldtimer.
Der Kläger erwarb im Jahr 2020 im Rahmen eines Privatkaufs einen MG Typ B Roadster, Baujahr 1973 mit H-Zulassung. Der Beklagte hatte für dieses Fahrzeug eine Verkaufsanzeige auf einer Onlineplattform geschaltet. Dort war als Zustandsnote "2-3" angegeben und Bezug genommen worden auf bereits vorliegende Gutachten. Als der neue Halter Anfang des Jahres 2022 das Fahrzeug zur HU vorstellte, wurde die Erteilung einer Prüfplakette wegen erheblicher Mängel abgelehnt - unter anderem wegen starker Korrosion. Nach erfolgloser Aufforderung zur Mangelbeseitigung erklärte der Kläger schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte mit seiner Klage vom Beklagten im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Die Klage hat in den Vorinstanzen zunächst keinen Erfolg gehabt, die Revision des Klägers hingegen schon.
Der BGH entschied nun, dass hier eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend vorlag, dass das Fahrzeug einen der Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand aufweise - also einen im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten "2" und "3" liegenden Erhaltungszustand nach den üblichen Bewertungskriterien. Ob im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben ist, ist eine Frage der nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung. Der Angabe einer Zustandsnote durch den Verkäufer kommt aus Sicht des Käufers die Aussage zu, dass sich das Fahrzeug in einem dieser Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustand befinde und der Verkäufer für das Vorliegen dieses Zustands die Gewähr übernehme. Es ist deshalb von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen. Die Bezugnahme auf die Gutachten im Zusammenhang mit dieser Angabe war nicht so zu verstehen, dass der Beklagte auf die Gutachten als fremde Quellen verweisen und zum Ausdruck bringen wollte, dass es sich bei der angegebenen Zustandsnote um fremdes Wissen handele, für das er nicht einstehen wollte. Denn zum einen entsprach die im Kaufvertrag angegebene Zustandsnote von "2-3" weder der Zustandsnote aus einem der Gutachten noch ergab sie sich etwa aus der Bildung eines Mittelwerts der Bewertungen dieser Gutachten. Der BGH verwies deshalb die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Berufungsgericht.
Hinweis: Wird beim Verkauf eines Oldtimers eine Zustandsnote im Kaufvertrag angegeben, stellt diese regelmäßig eine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Die Verwendung von Zustandsnoten für die Einstufung des Erhaltungszustands von Oldtimern in einem mehrstufigen Bewertungsmodell ist allgemein gebräuchlich und branchenüblich. Diese allgemein bekannten und anerkannten Zustandsnoten geben konkret Auskunft über den Erhaltungszustand eines Oldtimers. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf den Wert und damit auch den Kaufpreis des Fahrzeugs.
Quelle: BGH, Urt. v. 23.07.2025 - VIII ZR 240/24(aus: Ausgabe 10/2025)
Elterliche Sorge: Gemeinsam geschlossener Schulvertrag kann auch nach Scheidung nur gemeinsam gekündigt werden
Wenn man sich scheiden lässt, bleibt die Verbundenheit in manchen Bereichen bestehen - so auch beim Schulvertrag der Kinder. Hat man den als noch verheiratetes Paar geschlossen, kann man ihn nach einer Scheidung auch nur gemeinsam kündigen. Ob sich daran etwas ändert, wenn ein Elternteil befürchtet, den Vertragspflichten nicht mehr ausreichend nachkommen zu können, musste das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) abwägen.
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Wenn man sich scheiden lässt, bleibt die Verbundenheit in manchen Bereichen bestehen - so auch beim Schulvertrag der Kinder. Hat man den als noch verheiratetes Paar geschlossen, kann man ihn nach einer Scheidung auch nur gemeinsam kündigen. Ob sich daran etwas ändert, wenn ein Elternteil befürchtet, den Vertragspflichten nicht mehr ausreichend nachkommen zu können, musste das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) abwägen.
Noch verheiratet und in Ausübung der gemeinsamen Sorge hatten Eltern im eigenen Namen Schulverträge mit einer Privatschule abgeschlossen. Dann ließen sich die Eltern scheiden. Die Verantwortung für Schulangelegenheiten der beiden Kinder wurde gerichtlich dem Vater zur alleinigen Ausübung übertragen. Die Mutter wollte die beiden Schulverträge beenden, der Vater lehnte dies jedoch ab. Also beantragte die Mutter gerichtlich, dass die Verträge aufgelöst werden bzw. dass sie aus den Verträgen entlassen wird. Die Mutter wollte die Kinder gerne in eine Regelschule geben. Allgemein sei sie mit der Schule unzufrieden, auch die Kosten erdrückten sie. Der Vater und die Schule lehnten jedoch ab, die Mutter aus dem Vertrag zu entlassen. Der Vater befürchtete, dass man mit ihm allein keinen neuen Vertrag schließen werde, da die Schule befürchten könnte, er könnte die Kosten nicht alleine schultern.
Die Mutter scheiterte mit ihrem Einwand vor dem OLG. Sie habe schlichtweg keinen Anspruch auf Kündigung der Verträge. Sie müsse sich vielmehr mit dem Vater über deren Fortgeltung einigen. Sie müssen akzeptieren, hierbei als Gesamtschuldnerin verpflichtet zu sein, auch wenn sich das kostensteigernd für sie auswirkt. Wie die Eltern die Kosten unter sich aufteilen, haben sie unterhaltsrechtlich zu klären.
Hinweis: Verträge sind einzuhalten. Das gilt auch nach einer Scheidung. Die Eltern müssen hier eine gemeinsame Basis finden oder eben den Vertrag wie geschlossen erfüllen.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.04.2025 - 10 UF 1180/24(aus: Ausgabe 10/2025)
Lückenhafte Umgangsvereinbarung: Auch teils nicht vollstreckbare einvernehmliche Einigung kann gerichtlich gebilligt werden
Auf allen Rechtsgebieten kommt es immer wieder zu Streit, weil Vereinbartes nicht konkret genug ausgestaltet wurde. Im hier behandelten Familienrechtsfall fehlte es bei einer Umgangsvereinbarung an einem klaren - auf den ersten Blick in Sachen Umgang unbedingt notwendigen - Detail. Doch dann warf das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) im dagegen gerichteten Beschwerdeverfahren das Kindeswohl in die Waagschale, und das zählt bekanntlich viel.
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Auf allen Rechtsgebieten kommt es immer wieder zu Streit, weil Vereinbartes nicht konkret genug ausgestaltet wurde. Im hier behandelten Familienrechtsfall fehlte es bei einer Umgangsvereinbarung an einem klaren - auf den ersten Blick in Sachen Umgang unbedingt notwendigen - Detail. Doch dann warf das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) im dagegen gerichteten Beschwerdeverfahren das Kindeswohl in die Waagschale, und das zählt bekanntlich viel.
Vater und Mutter stritten im Beschwerdeverfahren über die Regelung des Umgangs des Vaters mit seiner siebenjährigen Tochter. Das Familiengericht hatte den Umgang des Vaters mit dem Kind für rund acht Monate ausgeschlossen. Dagegen richtete sich dessen Beschwerde. Im Anhörungstermin zur Beschwerde schlossen die Eltern schließlich eine Vereinbarung zum weiteren Umgang. Teilweise enthielt diese Vereinbarung aber keinen vollstreckbaren Inhalt; zum Beispiel fehlten ausdrücklich geregelte Umgangszeiten. Und besonders diese sollten grundsätzlich festgelegt werden, wenn man schon um den Umgang mit dem gemeinsamen Kind streitet. Oder etwa nicht?
Das OLG nahm die getroffene Einigung dennoch an und beendete damit das Beschwerdeverfahren. Der gerichtlichen Billigung stand nicht entgegen, dass die Vereinbarung teilweise keinen vollstreckbaren Inhalt hatte, denn im Umgangsrecht ist die gesetzliche Voraussetzung für die Billigung lediglich eine Kindeswohlprüfung - und eben jenes Kindeswohl wurde durch die getroffene Regelung nicht gefährdet. Es sei zudem anzunehmen, dass die Eltern sich über die Zeiten des Umgangs gesondert einigen, da das Jugendamt die Anbahnung der persönlichen Umgangskontakte weiterhin leiten werde.
Hinweis: Auch wenn das Gericht die Vereinbarung hier billigte, sollten Sie selbst Einigungen, die einvernehmlich zustande kommen, immer so konkret und detailliert wie möglich treffen. Erst dann können Sie das Vereinbarte im Streitfall auch einfach vollstrecken und/oder einklagen. Ohne konkrete Regelung ist dies nicht möglich. Sie können dem Vollstreckungsbeamten dann ja keinen gezielten Auftrag erteilen; er weiß dann schließlich nicht, was er vollstrecken soll.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.07.2025 - 5 UF 171/24(aus: Ausgabe 10/2025)
Mietzi? Oder Mauzi? Wer Eigentum nicht nachweist und sich an Namen nicht erinnert, muss Tiere im Tierheim lassen
Manchmal müssen Tiere aus Tierschutzgründen in Obhut genommen werden. Wenn dies angeblich einem behördlichen Irrtum unterliegt, darf das nicht nur behauptet, sondern muss auch bewiesen werden. Denn dass auch bei Tieren der Eigentumsnachweis unerlässlich ist, beweist dieser Fall des Landgerichts Nürnberg-Fürth (LG) eindringlich.
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Manchmal müssen Tiere aus Tierschutzgründen in Obhut genommen werden. Wenn dies angeblich einem behördlichen Irrtum unterliegt, darf das nicht nur behauptet, sondern muss auch bewiesen werden. Denn dass auch bei Tieren der Eigentumsnachweis unerlässlich ist, beweist dieser Fall des Landgerichts Nürnberg-Fürth (LG) eindringlich.
Eine Behörde nahm im März 2022 aus dem Haus eines Mannes drei Katzen in Gewahrsam und übergab sie an ein Tierheim. Hintergrund war, dass im Haus eine Frau lebte, die aus Tierschutzgründen keine Katzen halten durfte. Bei einer Kontrolle wurden die Katzen und ihre Utensilien wie Katzentoiletten, Futternäpfe, Kratzbaum, Medikamente, Transportboxen und Tierarztrechnungen im Stockwerk eben dieser Frau gefunden. Der Mann gab dennoch an, Eigentümer der Katzen zu sein, konnte aber die Namen und den Gesundheitszustand der Tiere nur schwerlich angeben sowie lediglich vage Angaben zum Erwerb machen. Er ließ es sich dennoch nicht nehmen, gegen das Tierheim auf Herausgabe der Katzen zu klagen.
Das Amtsgericht wies die Klage ab, weil der Mann keinen Eigentumsnachweis erbringen konnte. Auch die Aussagen der Mitbewohnerin überzeugten das Gericht nicht. Gegen das Urteil legte der Mann Berufung ein, zog diese jedoch nach einem Hinweis des LG zurück. Damit wurde das Urteil rechtskräftig. Eine Prüfung des Urteils zeigte, dass die Katzen der Mitbewohnerin gehörten und nicht dem Kläger. Da keine schriftlichen Nachweise oder konkreten Angaben zum Erwerb vorlagen, konnte der Mann seine Eigentümerstellung nicht beweisen. Zudem war das Eigentum an den Katzen durch die behördliche Anordnung zur Veräußerung erloschen. Nach dem Tierschutzgesetz überträgt eine solche Anordnung die rechtliche Befugnis auf die Behörde, der frühere Halter muss die Maßnahme dulden.
Hinweis: Wer Tiere besitzt, sollte Kaufbelege, Verträge oder konkrete Angaben zum Erwerb aufbewahren. Ohne Nachweise können Behörden Tiere in Obhut nehmen. Eine Duldungspflicht entsteht, wenn eine behördliche Anordnung zur Weitergabe erfolgt.
Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 27.05.2025 - 15 S 107/25(aus: Ausgabe 10/2025)
Nach berührungslosem Unfall: Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile
Bei einem berührungslosen Unfall kann der Schaden dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, sobald er bei einem Überholvorgang durch eine Ausweichreaktion ausgelöst worden ist. Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) musste im Folgenden prüfen und bewerten, ob dieses "Kann" im behandelten Fall zutrifft - also einer von zwei Verkehrsteilnehmern haften müsse - oder eine diesbezügliche Klage eher abzuweisen sei.
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Bei einem berührungslosen Unfall kann der Schaden dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, sobald er bei einem Überholvorgang durch eine Ausweichreaktion ausgelöst worden ist. Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) musste im Folgenden prüfen und bewerten, ob dieses "Kann" im behandelten Fall zutrifft - also einer von zwei Verkehrsteilnehmern haften müsse - oder eine diesbezügliche Klage eher abzuweisen sei.
Die Klägerin beabsichtigte, mit ihrem Motorrad links in eine Grundstückszufahrt einzubiegen, wobei sie jedoch den Blinker nicht gesetzt hatte. Der Beklagte passierte mit seinem Pkw die Klägerin, die daraufhin aus ungeklärten Umständen mit ihrem Motorrad stürzte und sich einen Bruch des Oberarmknochens zuzog. Das zunächst zuständige Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Hiergegen legte die Klägerin Berufung vor dem OLG ein - dies jedoch erfolglos.
Das OLG hat in einem Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass die Berufung keinen Erfolg haben werde, da der Beklagte den Sturz der Klägerin nicht verursacht hatte. Im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer beider beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige oder aber zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten in Form einer Abstandsunterschreitung konnte von der Klägerin nicht bewiesen werden. Die vom LG vernommene Zeugin hatte glaubhaft bekundet, dass der Beklagte in einem ausreichenden Sicherheitsabstand von etwa 1,5 m bis 2 m an dem Motorrad der Klägerin vorbeigefahren sei. In der Regel reiche ein Seitenabstand von 1 m aus. Demgegenüber lag ein eindeutiger Verstoß der Klägerin beim Linksabbiegen vor, da diese nicht nach links geblinkt habe und zudem ihrer doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen sei.
Hinweis: Bei einem berührungslosen Unfall ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat. Dies konnte nicht bewiesen werden. Das Gericht hat zudem darauf hingewiesen, dass der gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 Straßenverkehrs-Ordnung geltende Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 m beim Überholen innerorts nicht für das Überholen von Motorrädern gilt.
Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 02.06.2025 - 7 U 23/25(aus: Ausgabe 10/2025)
Premiummitgliedschaft: BGH sieht kein jederzeitiges Kündigungsrecht bei Onlinepartnerportalen
Die Liebe verhält sich wie das Leben selbst bekanntermaßen unberechenbar. Wer sich in einem Onlineportal registriert hat, um die Liebe des Lebens zu finden, ist nicht davor gefeit, leer auszugehen oder gar doch schon schneller als erwartet von Amors Pfeil getroffen zu werden. Doch was dann? Vor kurzem hat sich sogar der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage beschäftigt, ob Kunden eines Onlinepartnervermittlungsportals jederzeit kündigen können.
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Die Liebe verhält sich wie das Leben selbst bekanntermaßen unberechenbar. Wer sich in einem Onlineportal registriert hat, um die Liebe des Lebens zu finden, ist nicht davor gefeit, leer auszugehen oder gar doch schon schneller als erwartet von Amors Pfeil getroffen zu werden. Doch was dann? Vor kurzem hat sich sogar der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage beschäftigt, ob Kunden eines Onlinepartnervermittlungsportals jederzeit kündigen können.
Die Beklagte betreibt ein Partnerportal, bei dem Nutzer zwischen einer kostenlosen Basismitgliedschaft und einer kostenpflichtigen Premiummitgliedschaft wählen konnten. Bei der Premiummitgliedschaft werden Verträge mit Erstlaufzeiten von sechs Monaten (479,40 EUR; 79,90 EUR monatlich), zwölf Monaten (790,80 EUR; 65,90 EUR monatlich) oder 24 Monaten (1.101,60 EUR; 45,90 EUR monatlich) angeboten. Werde nicht rechtzeitig gekündigt, verlängere sich der Vertrag automatisch - und zwar um ganze zwölf Monate. Eine Verbraucherschutzorganisation klagte gegen diese Klauseln. Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) entschied in dieser Sache, dass Kunden nicht jederzeit kündigen können und die Vertragsverlängerung bei 24-monatigen Verträgen durchaus zulässig sei. Bei den sechs- und zwölfmonatigen Verträgen sah das OLG hingegen die Verlängerungsklauseln als unwirksam an. Beide Parteien legten Revision beim BGH ein.
Der BGH bestätigte, dass das Kündigungsrecht nach § 627 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hier nicht gelte, weil die Leistung der Plattform überwiegend aus einer Onlinedatenbank besteht und die Partnersuche automatisiert abläuft. Eine Pauschalregelung für ein jederzeitiges Kündigungsrecht setze eine persönliche Beziehung voraus, und eben diese bestand hier nicht. Die Vertragsverlängerung bei sechsmonatigen Verträgen benachteiligte die Kunden hingegen unangemessen, weil die Verlängerung die Kunden mit Kosten von gut 791 EUR statt einst knapp 480 EUR gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB finanziell benachteiligte. Bei den Premiummodellen mit den Vertragslaufzeiten von zwölf und 24 Monaten sah der BGH jedoch keine unangemessene Benachteiligung.
Hinweis: Onlineverträge können spezielle Kündigungsregeln enthalten. Wer unsicher ist, sollte die AGB genau prüfen und Kündigungsfristen beachten. Automatisierte Leistungen begründen kein jederzeitiges Kündigungsrecht.
Quellen: BGH, Urt. v. 17.07.2025 - III ZR 388/23
(aus: Ausgabe 10/2025)
Schadensminderungspflicht: Keine Nutzungsausfallentschädigung bei Vorhandensein weiterer Fahrzeuge
Ein Unfall zieht mit den entstandenen Schäden Verzicht und Aufwand nach sich. Relatives Glück dabei hat der schuldlos am Unfall Beteiligte, der entsprechenden Ersatz vom gegnerischen Versicherer erwarten kann. Doch so großzügig sich Versicherer manchmal zeigen: Nicht alles ist ersatzfähig. Dass das selbst dann gilt, wenn auf das Privatfahrzeug eine Zeitlang verzichtet werden muss, zeigt diese Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG).
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Ein Unfall zieht mit den entstandenen Schäden Verzicht und Aufwand nach sich. Relatives Glück dabei hat der schuldlos am Unfall Beteiligte, der entsprechenden Ersatz vom gegnerischen Versicherer erwarten kann. Doch so großzügig sich Versicherer manchmal zeigen: Nicht alles ist ersatzfähig. Dass das selbst dann gilt, wenn auf das Privatfahrzeug eine Zeitlang verzichtet werden muss, zeigt diese Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG).
Ein Autofahrer wurde unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt, wobei sein Fahrzeug (ein Straßenrennwagen der Marke Donkervoort) erheblich beschädigt wurde. Neben den Reparaturkosten forderte der Geschädigte Nutzungsausfall für die Dauer der Reparatur. Die Versicherung verweigerte die Zahlung und berief sich darauf, dass dem Geschädigten zwei weitere Fahrzeuge zur Verfügung stünden - nämlich ein BMW Z 4 und ein 3er BMW als Dienstwagen auch zur privaten Nutzung. Es sei daher kein Nutzungsentzug gegeben.
Das LG gab der Versicherung recht. Es sei dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht durchaus zumutbar, die weiteren vorhandenen Fahrzeuge zu nutzen. Der Geschädigte hatte selbst vorgetragen, dass er für Alltagsfahrten diese ihm zur Verfügung stehenden Fahrzeuge nutze, den verunfallten Wagen hingegen nur für Ausflugsfahrten oder Treffen mit anderen Autoliebhabern. Für eben jene Zwecke seien die BMWs nach Meinung des Geschädigten schlichtweg nicht geeignet. Der Zweck, mit einem Auto im Rahmen von Ausfahrten und Treffen mit anderen Autoliebhabern prahlen zu wollen, ist nach Ansicht des Gerichts nicht ausschlaggebend und somit auch nicht ersatzfähig, da es sich nicht um einen Vermögenswert handelt. Auch das Argument, dass bei Verwandtenbesuchen ein Koffer mitgenommen würde und der Steuerberater als Beifahrer mitfahre, um Fachgespräche zu führen, ist nicht zu berücksichtigen - schließlich fänden sowohl Koffer als auch Steuerberater in den BMW-Fahrzeugen Platz.
Hinweis: Nach allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit - in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln - das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern.
Quelle: LG Hamburg, Urt. v. 20.05.2025 - 308 O 98/24(aus: Ausgabe 10/2025)
Tesla online gekauft: Zulässige Widerrufsbelehrung ohne Telefonnummer und Kostenangaben zur Rücksendung
Wer seine Geschäfte rechtlich sauber betreiben will, ist gut beraten, zur eigenen Absicherung offizielle Mustertexte zu nutzen, so zum Beispiel auch für Onlineverkäufe. Gezwungen ist hierzu niemand, solange er eigene Texte nutzt, die ebenso rechtlich wasserdicht sind wie die Mustervorlagen. Das Landgericht Frankenthal (LG) musste prüfen, ob Tesla bei seinen Onlineverkäufen trotz Fehlens einiger Eckpunkte die rechtlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts erfüllt hat.
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Wer seine Geschäfte rechtlich sauber betreiben will, ist gut beraten, zur eigenen Absicherung offizielle Mustertexte zu nutzen, so zum Beispiel auch für Onlineverkäufe. Gezwungen ist hierzu niemand, solange er eigene Texte nutzt, die ebenso rechtlich wasserdicht sind wie die Mustervorlagen. Das Landgericht Frankenthal (LG) musste prüfen, ob Tesla bei seinen Onlineverkäufen trotz Fehlens einiger Eckpunkte die rechtlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts erfüllt hat.
Ein Mann hatte über eine Onlineplattform einen neuen Tesla für mehr als 65.000 EUR gekauft. Tesla hatte dem Bestellformular eine selbst entworfene Widerrufsbelehrung beigefügt. Ende Dezember 2022 wurde das Fahrzeug ausgeliefert. Der Käufer nutzte es ein knappes Jahr, wollte es dann aber wieder loswerden und berief sich auf zahlreiche Mängel, die seitens Tesla sämtlich bestritten wurden. Ende November 2023 widerrief der Mann schließlich den Vertrag unter Hinweis auf sein gesetzliches Widerrufsrecht als Onlinekäufer. Er sei nicht ordnungsgemäß belehrt worden, weil Tesla nicht die gesetzliche Musterbelehrung verwendet habe. Das stattdessen genutzte Formular sei dagegen nicht hinreichend klar abgefasst, die Telefonnummer der Firma sei nicht angegeben, und über die Höhe der Rücksendekosten des Fahrzeugs werde darin nicht aufgeklärt. Der Widerruf sei daher trotz des Zeitablaufs wirksam und er schulde aufgrund der fehlerhaften Belehrung auch keinen Ersatz für die Nutzung des Fahrzeugs.
Die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs wurde vom LG abgewiesen. Der Käufer habe nach mehr als einem Jahr kein Recht mehr, den Onlinevertrag zu widerrufen. Tesla habe von der gesetzlich vorgesehenen Musterbelehrung abweichen dürfen; diese sei lediglich ein Vorschlag für einen rechtssicheren Weg. Auch im hier verwendeten Text seien die Voraussetzungen des Widerrufsrechts deutlich und konkret genug benannt. So waren weder die Angabe der Telefonnummer noch Angaben zu den Kosten der Rücksendung des Pkw gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Der Onlinekäufer wurde in Augen des LG demnach ausreichend über sein Widerrufsrecht informiert. Auch die daneben geltend gemachten Mängel am Fahrzeug habe der Käufer sämtlich nicht nachgewiesen.
Hinweis: Neufahrzeuge werden heutzutage häufig online gekauft. Verbrauchern steht dabei grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu, das sie nicht begründen müssen und über das sie der Verkäufer ordnungsgemäß belehren muss. Wenn die Widerrufsbelehrung beim Onlinekauf eines Pkw die Voraussetzungen des Widerrufsrechts deutlich und konkret benennt, kann der Verkäufer von der gesetzlichen Musterbelehrung abweichen.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2025 - 4 O 114/24(aus: Ausgabe 10/2025)
Umgangsrecht: Kindeswohlgefährdung rechtfertigt begleiteten Umgang
Familien und deren Umgang mit ihren Kindern sind grundrechtlich geschützt. Aus diesem Grund können begleitete Umgänge grundsätzlich auch nur für sechs Monate angeordnet werden. Begleitete Umgänge für eine längere Zeit oder gar unbefristet sind nur bei vorliegender Kindeswohlgefährdung möglich. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) musste prüfen, ob diese Gefährdung zutrifft und vor allem nicht in absehbarer Zeit nachlassen werde.
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Familien und deren Umgang mit ihren Kindern sind grundrechtlich geschützt. Aus diesem Grund können begleitete Umgänge grundsätzlich auch nur für sechs Monate angeordnet werden. Begleitete Umgänge für eine längere Zeit oder gar unbefristet sind nur bei vorliegender Kindeswohlgefährdung möglich. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) musste prüfen, ob diese Gefährdung zutrifft und vor allem nicht in absehbarer Zeit nachlassen werde.
Es ging um den Umgang zweier Kinder - das eine neun, das andere sechs Jahre alt. Die ukrainischen Eltern wurden in der Ukraine bereits geschieden. Die Mutter flüchtete schließlich vor dem Krieg mit den Kindern nach Deutschland. Der Vater hatte dem zugestimmt, blieb selbst aber in der Ukraine. Erst zwei Jahre später kam auch er nach Deutschland, nachdem er in der Zwischenzeit telefonisch Kontakt mit seinen Kindern gehalten hatte. Es entbrannte schließlich Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge der beiden. Die Mutter hatte Angst, dass der Vater die Kinder in die Ukraine rückführen wolle, zudem boykottierte er aus Glaubensgründen nötige Schutzimpfungen der Kinder. Im Umgangsverfahren einigte man sich schließlich darauf, dass der Vater die Kinder wöchentlich sehen dürfe - dies jedoch stets in Anwesenheit der Kindesmutter. Der Vater wollte hingegen einen unbegleiteten Umgang erreichen, zog dafür abermals vor Gericht und konnte dort immerhin einen Teilerfolg verbuchen.
Das OLG entschied, dass die begleiteten Umgänge zu befristen sind und für die Folgezeit unbegleitete Umgänge geregelt werden sollen. Die Anordnung begleiteter Umgänge sei zwar zu Recht erfolgt - diese seien aber zu befristen. Unbefristete Begleitung kann bei Kindeswohlgefährdung angeordnet werden, beispielsweise wenn sich Kinder und Eltern total entfremdet haben. Ist aber bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung absehbar, dass im Anschluss an die Umgangsbegleitung unbegleitete Umgänge in Betracht kommen, sind die Begleittermine zu befristen. Zudem ist eine Anschlussregel hinsichtlich des unbegleiteten Umgangs zu treffen. Andernfalls würde nur eine Teilentscheidung getroffen werden, was in Umgangssachen aber nicht zulässig ist. Sollte sich die der Entscheidung zugrundeliegende Prognose - unbegleitete wöchentliche Umgänge ohne Übernachtung - als falsch erweisen, steht den Eltern dann immer noch ein Abänderungsverfahren offen.
Hinweis: Wer eine dauerhafte Begleitung erreichen möchte, muss eine konkrete Kindeswohlgefährdung vortragen können. Ist dies nicht glaubhaft möglich, wird eine Begleitung stets nur befristet angeordnet.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 23.07.2025 - 6 UF 79/25(aus: Ausgabe 10/2025)
Ungeeigneter Berufskraftfahrer: Keine Berücksichtigung von beruflichem Härtefall bei Erreichen von acht Punkten
Das Beste, was für eine verlässliche Zukunft mit Führerschein spricht, ist eine weiße Weste in Sachen Punktekonto. Doch schnell kommt diesem Vorsatz das echte Leben dazwischen, das man praktisch leider selten so gut bewältigt wie in der Theorie. Besonders Berufskraftfahrer sollten daher immer genau wissen, wann besser Schluss ist mit den Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr - denn das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) zeigt: Bei acht Punkten ist "die Pappe" weg.
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Das Beste, was für eine verlässliche Zukunft mit Führerschein spricht, ist eine weiße Weste in Sachen Punktekonto. Doch schnell kommt diesem Vorsatz das echte Leben dazwischen, das man praktisch leider selten so gut bewältigt wie in der Theorie. Besonders Berufskraftfahrer sollten daher immer genau wissen, wann besser Schluss ist mit den Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr - denn das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) zeigt: Bei acht Punkten ist "die Pappe" weg.
Einem Berufskraftfahrer wurde die Fahrerlaubnis entzogen, da er im Fahreignungsregister acht Punkte angesammelt hatte. Daher legte er Einspruch ein und beantragte, die sogenannte aufschiebende Wirkung wiederherzustellen - also bis zur Entscheidung in der Hauptsache seine Fahrerlaubnis behalten zu können. Er argumentierte zum einen, dass die behördlichen Maßnahmen der Ermahnung und Verwarnung nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden seien, weshalb er auf sieben Punkte zurückgesetzt werden müsse. Zudem stelle die Fahrerlaubnisentziehung für ihn als Berufskraftfahrer eine unangemessene Härte dar, da er als Alleinverdiener in eine existentielle Notlage geraten würde und die Einziehung faktisch ein Berufsverbot darstelle. Zu guter Letzt gab er an, bestimmte Fahrten zur lebenswichtigen Versorgung seiner Frau machen zu müssen, die nur von ihm vorgenommen werden könnten.
Das OVG wies den Antrag des Mannes jedoch zurück. Denn zum einen sei aus der Akte ersichtlich, dass die Maßnahmen der Behörde ordnungsgemäß durchgeführt worden waren. Alles andere hätte dem Betroffenen auch bei einer Sichtung der Akte auffallen müssen. Zum anderen könne nicht damit argumentiert werden, bei einem Berufskraftfahrer sei bei derartigen Fällen eine unzumutbare Härte gegeben. Und schließlich war von ihm auch nicht nachvollziehbar dargelegt worden, wieso eine Existenzgefährdung vorliegen könnte und bestimmte Fahrten der lebenswichtigen Versorgung seiner Frau dienen und nur von ihm vorgenommen werden können. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundenen Auswirkungen auf seine Möglichkeiten der Berufsausübung muss er im Interesse der Verkehrssicherheit und zum Schutz von Leib und Leben sowie Eigentum Dritter hinnehmen.
Hinweis: Die zwingende Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister stellt keinen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar. Bei diesem Punktestand geht der Gesetzgeber davon aus, dass Kraftfahrer eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen, und knüpft daran eine Ungeeignetheitsvermutung, die grundsätzlich nicht widerlegt werden kann.
Quelle: OVG Münster, Beschl. v. 23.07.2025 - 16 B 425/25(aus: Ausgabe 10/2025)
Unwetter, Überschwemmungen, Erdrutsche: Entschädigungsfreier Rücktritt von Italienreise bei Wahrscheinlichkeit großer Beeinträchtigungen
Sicher erscheint es recht früh, gut einen Monat vor Antritt wegen eines bereits eingetretenen Unwetters von der geplanten Reise zurückzutreten - aber nur auf den ersten Blick. Das Landgericht Frankfurt am Main (LG) hat sich nämlich eingehender damit beschäftigt, wie sich Auswirkungen schwerer Unwetter auf die erwartete Erholung und das Recht auf Vertragsrücktritt niederschlagen.
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Sicher erscheint es recht früh, gut einen Monat vor Antritt wegen eines bereits eingetretenen Unwetters von der geplanten Reise zurückzutreten - aber nur auf den ersten Blick. Das Landgericht Frankfurt am Main (LG) hat sich nämlich eingehender damit beschäftigt, wie sich Auswirkungen schwerer Unwetter auf die erwartete Erholung und das Recht auf Vertragsrücktritt niederschlagen.
Ein Mann hatte eine Pauschalreise nach Norditalien gebucht, die vom 12.06. bis 19.06.2023 stattfinden sollte. Knapp einen Monat zuvor, genauer gesagt am 16.05.2023, kam es in der Region Bologna jedoch zu heftigen Unwettern mit Überschwemmungen, Erdrutschen und sogar Todesopfern. Straßen waren blockiert, Strände geschlossen, Bakterienverseuchung im Meer und die Gefahr einer Mückenplage bestanden. Daher trat der Reisende am Tag danach vom Vertrag zurück und forderte den bereits gezahlten Reisepreis von rund 2.400 EUR ebenso zurück. Das Amtsgericht gab seiner Klage statt.
Der Reiseveranstalter legte Berufung ein, doch das LG bestätigte die Entscheidung. Das Urteil wurde rechtskräftig. Laut Gericht muss der Reisende keine Rücktrittsentschädigung zahlen, weil außergewöhnliche Umstände die Reise erheblich beeinträchtigten. Entscheidend war, dass bei der Rücktrittserklärung aufgrund der Prognose klar abzusehen war, dass die Gefahren bis zum Reisebeginn weiterhin bestehen werden. Das Risiko, dass ein Reisender vorschnell zurücktrete, bestehe zwar grundsätzlich, doch hier war die Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Beeinträchtigung hoch. Schäden an Straßen, Gebäuden, die Bakterienbelastung des Wassers und mögliche Krankheiten machten eine Reise risikoreich. Dass die Reise später mit anderen Teilnehmern planmäßig stattfand, spielte dabei für das Gericht keine Rolle.
Hinweis: Bei extremen Naturereignissen in der Nähe des Reiseziels können Reisende ohne Entschädigung vom Vertrag zurücktreten. Vorher sollten sie die Situation sorgfältig prüfen. Rücktrittsrechte gelten nur, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung wahrscheinlich ist.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.04.2025 - 2-24 S 75/24(aus: Ausgabe 10/2025)
Verfahrensrecht: Akteneinsicht muss rechtzeitig beantragt oder aber das Interesse daran im Nachgang begründet werden
Wird der Umgang gerichtlich geregelt, haben die Verfahrensbeteiligten ein Akteneinsichtsrecht. Ist das Umgangsverfahren allerdings abgeschlossen, besteht das Recht auf Akteneinsicht nur, wenn von dem jeweiligen Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einsicht dargelegt und glaubhaft gemacht wird. Auf eine derartige Begründung einer Mutter zählte im Folgenden auch das Amtsgericht Hof (AG).
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Wird der Umgang gerichtlich geregelt, haben die Verfahrensbeteiligten ein Akteneinsichtsrecht. Ist das Umgangsverfahren allerdings abgeschlossen, besteht das Recht auf Akteneinsicht nur, wenn von dem jeweiligen Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einsicht dargelegt und glaubhaft gemacht wird. Auf eine derartige Begründung einer Mutter zählte im Folgenden auch das Amtsgericht Hof (AG).
Die Eltern eines 2018 geborenen Kindes haben sich scheiden lassen. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes ist bei der Kindsmutter. Der beauftragte Sachverständige im Umgangsverfahren hatte telefonisch mitgeteilt, dass er den Umgangsausschluss des Vater empfehle. Das AG hat daraufhin im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang des Kindsvaters mit dem Kind unter Anordnung von Schutzmaßnahmen ausgesetzt. Dieser Beschluss wurde der Kindsmutter zugestellt. Erst nach Abschluss des Verfahrens hat der Anwalt der Mutter die Akteneinsicht beantragt. Das Gericht wies ihn jedoch darauf hin, dass das Verfahren abgeschlossen sei und er dementsprechend ein berechtigtes Interesse darlegen müsse. Der Anwalt tat dies nicht - der Antrag auf Akteneinsicht wurde abgelehnt.
Ohne berechtigtes Interesse keine Akteneinsicht - so könnte man die Entscheidung des AG salopp zusammenfassen. Sobald ein Verfahren abgeschlossen ist, muss ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht vorgetragen werden. Ein solches berechtigtes Interesse liegt etwa dann vor, wenn Rechte des Antragstellers durch den Streitstoff der Akten berührt werden können und die Kenntnis über den Akteninhalt zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist. Da hier nichts Derartiges vorgetragen wurde, musste der Antrag abgelehnt werden.
Hinweis: Das berechtigte Interesse des Beteiligten eines abgeschlossenen Verfahrens an der Akteneinsicht wird von den Gerichten meist bejaht und die Akteneinsicht gewährt. Wichtig ist, dass ein Interesse wenigstens benannt wird. Hohe Anforderungen werden hier nicht gestellt. Wenn wie hier gar nichts vorgetragen wird, wird der Antrag abgelehnt. Machen Sie sich also die Mühe und benennen Sie ein Interesse oder prüfen Sie, ob Ihr Rechtsbeistand das getan hat!
Quelle: AG Hof, Beschl. v. 18.08.2025 - 001 F 648/25(aus: Ausgabe 10/2025)
Versicherer in Beweispflicht: Rücktritt von Berufsunfähigkeitsversicherung im Teleunderwriting gescheitert
Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antworten. So einfach könnte der Kern des folgenden Falls vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zusammengefasst werden. Doch bevor dieses zu seinem Urteil kam, musste es sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Bedingungen ein Versicherer nach einem telefonischen Antrag vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen anfechten kann, und unter welchen er zur Zahlung verpflichtet ist.
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Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antworten. So einfach könnte der Kern des folgenden Falls vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zusammengefasst werden. Doch bevor dieses zu seinem Urteil kam, musste es sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Bedingungen ein Versicherer nach einem telefonischen Antrag vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen anfechten kann, und unter welchen er zur Zahlung verpflichtet ist.
Beim sogenannten Teleunderwriting einer telefonischen Risikoprüfung handelt es sich um einen vertraulichen und effizienten Service, der es Lebensversicherungsgesellschaften ermöglicht, die persönlichen Gesundheitsfragen in einem Antrag telefonisch mit einem ausgebildeten medizinischen Risikoprüfer zu beantworten. So war es auch in diesem Fall. Ein in Mexiko geborener Mann, der in Deutschland lebte, beantragte 2012 telefonisch eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Er selbst sprach Spanisch, sein Lebensgefährte übersetzte seinerzeit ins Englische. Der Versicherungsmitarbeiter füllte den Antrag aus und kreuzte bei allen Gesundheitsfragen "nein" an, obwohl der Mann zuvor wegen Rückenproblemen, Depressionen und später auch wegen einer Daumengelenksarthrose ärztlich behandelt worden war. Kurz nach dem Telefonat lag der vorausgefüllte Antrag im Briefkasten, der Mann unterschrieb. Als er fünf Jahre später Berufsunfähigkeit anmeldete, lehnte die Versicherung die Zahlung jedoch ab und erklärte den Rücktritt vom Vertrag wegen angeblich falscher Angaben. Der Mann erklärte, er habe nichts verschwiegen und sei davon ausgegangen, dass nur aktuelle schwere Erkrankungen gemeint seien.
Das Landgericht stellte fest, dass die Versicherung weiterhin Bestand habe, und verurteilte den Versicherer zur Zahlung der Leistungen. Das OLG bestätigte diese Entscheidung und begründete dies damit, dass die Versicherung nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten oder diesen anfechten konnte. Für einen Rücktritt müssen die Fragen während des Telefonats korrekt und verständlich vorgelesen werden, damit der Antragsteller sie sicher zur Kenntnis nimmt. Dies konnte die Versicherung in diesem Fall nicht nachweisen. Und auch eine Täuschungsanfechtung scheiterte, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Mann absichtlich falsche Angaben gemacht hatte. Es reichte nicht aus, seine Angaben einfach zu bestreiten; die Versicherung musste einen eindeutigen Beweis vorlegen, was sie nicht konnte.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 06.06.2025 - 7 U 20/23(aus: Ausgabe 10/2025)
Wirkungsloser Beschluss: Möglichkeit der Berichtigung von Fehlern hat in Entscheidungen ihre Grenzen
Da irren menschlich ist, kommen auch bei Gericht Zahlendreher vor oder wird ein Name falsch geschrieben. Sind diese Fehler offensichtlich, kann man sie schnell und unbürokratisch berichtigen. Gibt es aber Fehler, über die man nicht einfach hinwegsehen kann, um sie "eins, fix, drei" zu korrigieren, machen diese einen gerichtlichen Beschluss schnell unwirksam. Ob auch in diesem Fall das Verfahren neu aufgerollt werden musste, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).
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Da irren menschlich ist, kommen auch bei Gericht Zahlendreher vor oder wird ein Name falsch geschrieben. Sind diese Fehler offensichtlich, kann man sie schnell und unbürokratisch berichtigen. Gibt es aber Fehler, über die man nicht einfach hinwegsehen kann, um sie "eins, fix, drei" zu korrigieren, machen diese einen gerichtlichen Beschluss schnell unwirksam. Ob auch in diesem Fall das Verfahren neu aufgerollt werden musste, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).
Ein Jugendamt klagte auf Festsetzung einer Unterhaltsverpflichtung für ein Kind, das bei seinem Vater lebte, der somit auch das Kindergeld bezog. Der Antrag des Jugendamts richtete sich gegen die Mutter. Das Gericht setzte aber aus unerfindlichen Gründen auf die klassische Rollenverteilung und den Unterhalt daher gegen den Vater statt gegen die Mutter fest und stellte diesen Beschluss auch nur an ihn zu. Der Vater staunte da natürlich nicht schlecht. Die daraufhin erfolgte Bitte des Jugendamts um Korrektur sah eine Rechtspflegerin ganz pragmatisch und tauschte schlicht und ergreifend den Vater gegen die Mutter aus - nur namentlich, versteht sich. Dagegen wandte sich dann jedoch die Mutter im Wege der Rechtsbeschwerde an das OLG. In einem Berichtigungsbeschluss können Verfahrensbeteiligte nicht einfach ausgetauscht werden. Der ursprüngliche Beschluss sei ihr auch niemals zugestellt worden.
Und sie behielt Recht. Schon der erste Beschluss an den Vater sei wirkungslos gewesen, da gegen diesen gar kein Verfahren rechtshängig war - das Jugendamt hatte sich schließlich gegen die Mutter gerichtet. Dieser wurde der Beschluss aber nie zugestellt. Diese Zustellung ist für den Unterhaltsfestsetzungsantrag aber eine notwendige Voraussetzung für die Rechtshängigkeit. Auch die später gegen die Mutter ergangene Entscheidung ist wirkungslos. Die Grenzen einer möglichen Berichtigung sind hier überschritten worden. Hier wurden keine Fehler korrigiert, sondern Personen ausgetauscht. Eine (rechtlich) unbeteiligte Person hat man so zur Verfahrensbeteiligten gemacht. Daher sei nun eine Fortsetzung des Verfahrens erforderlich. Mit dieser Begründung verfügte das OLG die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Hinweis: Auch Fehler im Namen einer Person können verbessert werden, solange klar bleibt, dass es sich um dieselbe Person handelt. Verwechselt das Gericht aber Personen, dann muss es den Fall neu aufrollen, eventuell Prozesshandlungen nachholen. Es kann nicht einfach Entscheidungen "umschreiben".
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 21.08.2025 - 6 UF 146/25(aus: Ausgabe 10/2025)
Zur Folgenbeseitigung verpflichtet: Bank muss Kunden über unwirksame AGB-Klausel informieren
Hier steht ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ausnahmsweise mal am Beginn des Falls. Denn der BGH traf bereits eine Entscheidung zur Unwirksamkeit einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank. Ein Verbraucherverein war damit jedoch noch nicht zufrieden, sondern verlangte, dass diese Änderung der AGB auch den betreffenden Bankkunden direkt mitgeteilt werde - und damit kamen hier zuerst das Landgericht (LG) und schließlich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) ins Spiel.
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Hier steht ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ausnahmsweise mal am Beginn des Falls. Denn der BGH traf bereits eine Entscheidung zur Unwirksamkeit einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank. Ein Verbraucherverein war damit jedoch noch nicht zufrieden, sondern verlangte, dass diese Änderung der AGB auch den betreffenden Bankkunden direkt mitgeteilt werde - und damit kamen hier zuerst das Landgericht (LG) und schließlich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) ins Spiel.
Eine Bank hatte in ihren AGB eine Klausel aufgeführt, nach der Kunden für Spareinlagen über einem bestimmten Freibetrag ein sogenanntes Verwahr- und Guthabenentgelt zahlen sollten. Diese Klausel hatte der BGH allerdings bereits für unwirksam erklärt. Das zuständige LG verurteilte die Bank auf Klage eines Verbraucherschutzvereins hin dazu, ihre davon betroffenen Kunden innerhalb von vier Wochen individuell über die Unwirksamkeit der Klausel zu informieren.
Auf die Berufung der Bank bestätigte das OLG diese Verpflichtung. Die Bank hatte durch die unwirksame Klausel eine unzulässige Handlung vorgenommen, bei der bei den Kunden der Eindruck entstand, dass das Verwahrentgelt rechtmäßig sei. Diese Fehlvorstellung verschwand nun aber nicht automatisch durch die gerichtliche Entscheidung. Deshalb müsse die Bank die Kunden direkt informieren - entweder per Post oder per E-Mail. Dabei dürfen nur die Kunden angeschrieben werden, deren Verträge die strittige Klausel enthielten und die klassische unbefristete Spareinlagen unterhielten. Erst diese direkte Information stelle sicher, dass die Kunden die Nachricht auch tatsächlich wahrnähmen, was besonders für ältere Kunden wichtig sei, die im Onlinebanking nicht so sattelfest sind. Die Bank habe daher nach Erhalt der Liste mit betroffenen Kunden zwei Monate Zeit, die individualisierten Schreiben zu versenden.
Hinweis: Banken müssen Kunden aktiv informieren, wenn AGB-Klauseln unwirksam sind. Ein bloßes Einstellen der Information auf der Website reicht nicht aus. Auch ältere Kunden sollen so direkt erreicht werden.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.06.2025 - 3 U 286/22(aus: Ausgabe 10/2025)
Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 27.6.2024 brachten eine Zeitenwende im Verhältnis von Wettbewerb und Klimaschutz. Dabei zeigt sich eine Ausrichtung des Green Deal auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und damit eine deutlich andere Gewichtung von Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung als bislang nach dem Green Deal und dem EU-Klimapaket, das schon in vielfacher Hinsicht umgesetzt wurde (RED III, EU-GebäudeRL, LastenteilungsVO, 2. Standbein Emissionshandel für Verkehrs und Gebäude etc.).
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 28. März 2025 entschieden, dass dem Begriff der "Hecke" im Sinne der Landesnachbargesetze keine allgemeine Höhenbegrenzung immanent ist. Entscheidend für die Einordnung als Hecke ist vielmehr, ob die Anpflanzung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einen geschlossenen Eindruck als Einheit vermittelt.
Im konkreten Fall ging es um eine Bambushecke, die eine Höhe von sechs bis sieben Metern erreicht hatte. Der Kläger verlangte den Rückschnitt auf drei Meter, gemessen vom Bodenniveau seines Grundstücks.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass der im hessischen Nachbarrechtsgesetz vorgeschriebene Grenzabstand von 0,75 Metern eingehalten wurde und keine ungewöhnlich schweren Beeinträchtigungen vorlägen.
Der BGH bestätigte, dass es keine allgemeine Höhenbegrenzung für Hecken gibt und verwies den Fall zur erneuten Prüfung an das Oberlandesgericht zurück. Dieses soll nun klären, ob der gesetzliche Grenzabstand tatsächlich eingehalten wurde.